THE DALE COOPER QUARTET & THE DICTAPHONES bleiben auch mit „Astrild Astrild“, ihrem nunmehr vierten Langspieler, ihrer Linie treu und ernten fleißig weiter lobende Vergleiche mit den üblichen vergleichend herangezogenen Vertretern des Doom- oder auch Darkjazz wie BOHREN & DER CLUB OF GORE, THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION oder auch THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE. Auch wenn das Agieren in ähnlichen Fahrwassern sicher nicht von der Hand zu weisen ist, sollte nun endgültig klargestellt werden, dass sich die Franzosen über die Jahre ihre eigene kleine Nische in der Nische geschaffen haben und nun ihrerseits selbst für kommende Künstler als Vergleich herhalten müssen.
Ähnlich sperrig wie der Bandname selbst fällt auch „Astrild Astrild“ aus, das entgegen der Vermutung eines kohärenten Konzeptalbums, welche die Spielzeit von über 72 Minuten bei insgesamt sieben Stücken nahelegt, zumindest keinen offensichtlichen roten Faden erkennen lässt. Stattdessen gestalten sich die Stücke nicht zwingend in sich, dafür jedoch untereinander als äußerst abwechslungsreich. Dabei zeichnen sie keineswegs ein monochromatisches Stimmungsbild, sondern entpuppen sich als ebenso facetten- wie abwechslungsreich.
Ähnlich dem behäbigen Wanken eines dahingleitenden Eisberges auf offener See schälen sich bei „Mia Outarde Bondon“ zähe Drones aus dem Panorama, während ein einsames Saxophon Akzente setzt und im Verlauf Noise-Elemente mehr und mehr an Oberwasser gewinnen. Darauf folgt „Pemp Ajour Imposte“ in sich ruhender, harmonischer und glänzt mit der so typischen Mitternachtsästhetik des Genres, die ohne Umschweife die so vertraut wirkende schattenhafte Figur am spärlich von flackerndem Kerzenschein beleuchteten Tresen zeichnet, die noch immer vergebens im angebrochenen Glas nach Antworten sucht. Im Gegenteil dazu wirkt „Five Clenche Bouscarte / Ocho Accenteur“ geschäftiger, angereichert mit einer unterschwelligen Unruhe und einem latenten Aufbruch-Charakter, der sich erst in „Huis Chevêchette“ löst. Eine gewissermaßen mechanische Kälte macht sich breit und wäre zweifelsohne die perfekte Untermalung eines dieser beeindruckenden Lost Places, der einst zu Zeiten der industriellen Revolution von Leben geprägt war und heute von der Natur zurückerobert wurde, während melancholische Flashbacks in filmischer Manier schemenhaft über die aktuelle Szenerie hinweggleiten.
„Ta Châssis Euplecte“ stellt kurz vor Schluss das vermutlich forderndste Stück dar, das mit aggressivem Unterton und Noise-Schlagseite einen klaren Kontrapunkt zu all der 50/60er-Jahre-Romantik darstellt, die im Großen und Ganzen trotzdem als roter Faden herhalten könnte, bevor „Tua Oriel Courvite Isabelle“ mit einer zunächst irritierenden Ambivalenz zwischen Licht und Schatten in Form lieblicher Melodien bei zugleich bedrohlich untermalenden Drone-Kaskaden letztlich zu einem friedlichen, wenngleich nicht zwingend harmonischen Ende ausklingt. Das in dieser Zusammenfassung ausgeklammerte 18-minütige „Son Mansarde Roselin“ hat auch im Album-Kontext eine Sonderstellung inne, und stellt mit seinen 18 Minuten Spielzeit das in sich abwechslungsreichste Stück des Albums darstellt.
FAZIT: Wer „Astrild Astrild“ entdecken möchte braucht vor allem Zeit und Geduld. Obendrein müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen, denn bei Sonnenschein und sommerlichem Urlaubsfeeling ist das Album gänzlich fehl am Platz. Wer jedoch im Herbst oder Winter bis zu den Haarspitzen in Melancholie und Romantik eintauchen möchte, findet genau den richtigen Soundtrack.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.10.2017
Gaël Loison, Christophe Mevel, Yannick Martin, Krystian Sarrau, Gaëlle Kerrien, Zalie Bellacicco, Ronan Mac Erlaine
Denovali Records
72:13
02.06.2017