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Ulan Bator: Stereolith

Stil: Progressive Rock, stark verkrautet und jede Schublade sprengende weitere Musikrichtungen

Cover: Ulan Bator: Stereolith

Mal wieder ein dickes „Wow!“ vorangeschickt!
Denn was uns hier ULAN BATOR in den knapp 40 Minuten auf „Stereolith“ musikalisch bietet, sucht mal wieder in der Musik-Szene seinesgleichen, weil es geschickt Elektronisches und Melodisches mit Improviatorischem und richtig spannendem Gesang verbindet, bei dem ein wild gewordenes Saxofon sich immer wieder in den Vordergrund spielt, begleitet von komplexen Schlag-Rhythmen und einer Stereo-Verliebtheit, welche dem Titelnamen alle Ehre erweist und dieses Album zu einem monolithischen „Stereolith“ werden lässt, der zugleich ein kleines Krautrock-Inferno heraufbeschwört, welches natürlich eine klare Richtung hat, die es uns schon mit dem Songtitel <a href="https://www.youtube.com/watch?v=CaQsvHfWAWU" rel="nofollow">„Neu Neu“</a> aufzeigt, auch wenn hinter dem „Neu“ das „!“ fehlt!

Recht ungewöhnlich allerdings beginnt die CD wie ein LAURIE ANDERSON-Song mit einer Prise ANNE CLARK, nur dass der elektronisch verfremdete Gesang sich mit männlichen Stimmbändern sofort in unseren Gehörgängen festsetzt.

Dann aber bleibt unüberhörbar, dass der Bandkopf AMAURY COMBUZAT, der sich ausgiebig an Keys, Synthies, Gitarren, Percussion und als Sänger auf „Stereolith“ auslässt, schon mit der Krautrock-Institution FAUST und Michael Gira von SWANS zusammenarbeitete. Dazu steuert SERGIO POMANTE mit seinen ungewöhnlich begeisternden Saxofon-Einsätzen noch eine gehörige VAN DER GRAAF GENERATOR-Atmosphäre mit düsterer Hammill-Attitüde auf „Stereolith“ bei. Dann wiederum glaubt man sich auf ein CAN-Album, bei dem DAMO SUZUKI singt, verirrt zu haben, aber auch POPOL VUH, CLUSTER und HARMONIA sind, besonders durch die Synthie-Verspieltheit, breit vertreten.

Bei ULAN BATOR, die sich 1993 in Paris gründeten, gibt es keine musikalischen Schubladen – oder eben viel zu viele. Prog- und Post-Rock, Electronics, Ambient, Avantgarde, Indie und Alternative, Kraut und Psyche und und und. Auch der Gesang variiert zwischen Englisch und Französisch. Im Falle von ULAN BATOR stimmt aber das Gemisch. Die Musik bleibt im Fluss und überrascht durch die Vielfalt der immer wieder eingestreuten collagen-artigen Klang-Expeditionen und komplexen kompositorischen Ideen. Insgesamt aber bleibt sich die Grundstimmung auf „Stereolith“ - dem bereits 12. Album der Band - in den ruhigeren, manchmal recht finsteren und nie zu extrem ausufernden Momenten treu.

Cambuzat empfahl, dieses Album folgendermaßen zu hören: „Am besten hört man diese Musik in einer 3-D-Pyramide, und zwar mitten im Pazifik.“ Nun ja, so weit müssen wir nicht unbedingt reisen, um die "Stereolith“-Faszination von ULAN BATOR zu entdecken.

FAZIT: Krautrock mit dem Hang zur stereo-klangvollen und multi-musikalischen Perfektion, nicht etwa aus Deutschland, sondern dem Franco-Italo-Musik-Garten, der so einige deutsche Experimentiergärten locker in den Schatten stellt. ULAN BATOR lassen mit „Stereolith“ die Sonne scheinen, damit das Kraut auch ordentlich wachsen und fett werden kann!

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.04.2017

Tracklist

  1. On Fire
  2. Stereolith
  3. Blue Girl
  4. Spinach Can
  5. Ego Trip
  6. Neu Neu
  7. No Book
  8. Icarus
  9. Lost
  10. Dust

Besetzung

  • Bass

    Mario Di Battista

  • Gesang

    Amaury Cambuzat

  • Gitarre

    Amaury Cambuzat

  • Keys

    Amaury Cambuzat

  • Schlagzeug

    Sergio Pomante, Amaury Cambuzat

  • Sonstiges

    Sergio Pomante (Saxofone)

Sonstiges

  • Label

    Bureau B.

  • Spieldauer

    39:08

  • Erscheinungsdatum

    24.02.2017

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