Der dreifache Downbeat-Award-Gewinner Ulrich Ellison begeht schon seit Jahren einen abgeklärten Spagat zwischen "weißem" Mainstream-Gitarrenblues und auch über die Szene hinaus wahrnehmbarem Hardrock. Dabei deckt er eine beeindruckende Stilpalette ab und reüssiert in jeder Situation sowohl als Instrumentalist als auch mit seiner Stimme.
Und die hat einiges zu sagen: Als gebürtiger Österreicher und studierter Musiker hebt sich der Mann per se durch Weitblick und die Möglichkeit, zwischen den Kulturen zu wandeln, von blind patriotischen Rednecks ab, die nie von ihrer Farm heruntergekommen sind, und dementsprechend brisant gestalten sich die Texte auf "America", etwa wenn er gegen den Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze eintritt ('Tearing Down the Wall') und kein gutes Haar am gegenwärtigen US-Präsidenten lässt, was in mehreren Stücken geschieht.
Das alles hält Ellison dennoch für amerikanisch; es ist ein Ausdruck einer Liebe fürs Land, die nichts mit Nationalismus am Hut hat sondern Natur, Kultur und Bevölkerung gilt. Dass sich Ellison ausgerechnet in Texas niederließ, zeugte wiederum von seiner musikalischen Hingabe, denn ein besseres Umfeld für sein Schaffen hätte er nicht finden können. Sein politisches Mitteilungsbedürfnis überschattet die Stücke freilich nie.
Gemeinsam mit seiner Ehefrau Sabine Ellison am Bass, Drummer Joel Duhon und einstweilen auch einem Akkordeonisten in Gestalt von Jan Flemming bietet er urbanes Zeug wie den titelgebenden Opener, den zarten Country von 'Love Is Gonna Have Its Way' und gleich mehrere Balladen - etwa 'Running on Empty' und 'Feels Like Heaven' -, die breitbeinig vorgetragenen Refrains entgegenstehen, wobei man an Neo-Grunge als Vergleich denkt. Andererseits ist da auch Soft Rock ohne zu viel Zucker (bester Beleg: die funky Frotzelei 'Feeling Like a Rich Man') und das wirklich tolle Klavierstück 'Land of the Free', das Elton John oder Meat Loaf vermutlich mit ihrem exaltierten Timbre kaputtgemacht hätten.
Ganz schön buntes Treiben, was?
FAZIT: "America" ist ein zeitgenössisches Bluesrock-Album eines in zweierlei Hinsicht beneidenswert virtuosen Musikers. Ulrich Ellison pendelt erstens mühelos zwischen Stilen (so auch in 'Breathe' einem unvorhergesehenen Rückblick auf das Vermächtnis der frühen Pink Floyd) und bringt zweitens sein Griffbrett zum Qualmen, wobei seine Licks in gleicher Weise über schnöde Hendrix-Zitate hinausreichen, wie seine engagierten Texte alle Blues-Stereotypen umgehen. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/42b2a61435e44955a197127185041049" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.09.2017
Eigenvertrieb
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01.09.2017