Zum Geburtstag knallen beim verantwortlichen Label die Korken, auch wenn es ein unrunder ist … Es geht um UNDERWORLDs erfolgreichtes Album "Beaucoup Fish", das 1999 ins Zeitgeschehen passte (vor allem was die britische Musikszene betraf - siehe "Trainspotting" oder "Kill Your Friends") wie die sprichwörtliche Eins, die Dance-Szene aufrüttelte und nebenbei auch den Abschied der Band von Darren Emerson einläutete.
Universal spendieren dem Projekt eine zünftige "Super Deluxe Edition" (uns allerdings nicht) in einer Box mit den obligatorischen Song-Raritäten und bisher unveröffentlichten Outtakes, nicht zu vergessen das Remastering, dem auch diese schlichte Einzel-CD unterzogen wurde. In der edelsten Konfiguration kommt "Beaucoup Fish" mit drei weiteren Scheiben, wobei es auch schweres Doppel-Vinyl zu kaufen gibt wie üblich bei solchen Neuauflagen.
Das aktuelle Mastering macht sich erwartbar geringfügig bemerkbar, doch es ist auch nicht so, als hätte man sich dieses Album jemals schönhören müssen, weil sein Klang zu wünschen übrigließ. Dieser war kurz vor der Jahrtausendwende vielmehr wegweisend, von UnderworldsStilrevolution ganz zu schweigen. Hier vereinten sich House-Musik aus US-Metropolen wie Chicago oder Detroit mit sehr europäischen Tugenden, allen voran Wertlegung auf Eingängig- bzw. Tanzbarkeit.
Das oft abweisende Urbane von Übersee ging also mitsamt seinen bisweilen störrischen Arrangements und verspielten Rhythmen in catchy Grooves und beinahe hymnischen Techno-Parts auf, die allerdings nie nach stumpfem Ballermann-Bumm-Bumm stanken. Obwohl Underworld anders als zuvor Texturen statt handfester Melodien fokussierten, waren und sind die Stücke von "Beaucoup Fish" für die Massen geschaffen, was man u.a. auf meisterlich fließende Übergänge zurückführen und insofern beeindruckend finden darf, dass einige Tracks Überlänge verzeichnen.
Dabei entsteht kein verschwurbeltes Gesäusel, sondern der Soundtrack eines Lebensgefühls; Dekadenz und Aufbruchsstimmungen fanden in jenen Tagen vermutlich zum letzten Mal im (sub-)kulturellen Rahmen statt, ehe auf allen Ebenen eine große Nüchternheit einsetzte - in der Kunst genauso wie in Politik und Gesellschaft.
Jawohl, auch "Beaucoup Fish" ist artifiziell mechanischer Electro, kommt aber gar nicht kalt daher, im Gegenteil: Ob man das zum Bandstandard avancierte 'Push Upstairs' oder das sich gemächlich zehn Minuten lang steigernde 'Cups' zu Beginn anführt, sich zu 'Jumbo' entspannt, das nicht behäbig wie der namengebende Dickhäuter ist, oder von der vorsätzlichen Monotonie von 'King Of Snake' hypnotisieren lässt - wohlige Wärme ist das, was man beim Hören empfindet, also nicht nur während des relativ zarten Doppels aus 'Winjer' und 'Something Like A Mama'
Dass niemand zwischendurch abschaltet, liegt an dem progressiven und widerspenstigen Geist der Schöpfer, denn beispielsweise mit 'Kittens' schmettern Underworld regelrecht hart aus den Boxen, derweil sie den Hörer immerzu hinhalten und es dabei schaffen, ihn nicht nervös zu machen. Den unweigerlichen Höhepunkt haben sich die Musiker nämlich mit 'Moaner' bis zum Schluss aufgehalten.
FAZIT: Tanzen - nicht bloß mit den Beinen und wackelndem Gesäß, sondern auch mit Köpfchen. 1999 war das Jahr schlechthin für UNDERWORLD, und wer bis hierher gelesen hat, dem ist klar geworden, dass man die Vollbedienung mit zahllosen Remixen sowie weiterem Popanz gar nicht braucht, um "Beaucoup Fish" (wieder) für sich zu entdecken. Immerhin: Die Neuauflage gab Anlass zu dieser Rückschau, von der sich vielleicht der eine oder andere Unbedarfte angesprochen fühlt. Lanzen für gute (!) elektronische Musik kann man ja gar nicht oft genug brechen.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.08.2017
Universal
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25.08.2017