UNEVEN STRUCTURE entstanden wie so viele Djent-Vertreter Ende der 00er-Jahre, und zwar innerhalb der dicht gewobenen, fruchtbaren Metalszene Frankreichs. Seither sind sie nicht unbedingt durch große Pioniers- oder Revolutionsleistungen aufgefallen, sondern sorgten eher für die Bildung reiner Masse. Als „Februus“ veröffentlicht wurde, war das Zielpublikum noch ganz beschwipst von den spektakulären Debüts von PERIPHERY (2010) und TESSERACT (2011). Man erhoffte sich zu dieser Zeit von dem hochproduktiven Progmetal-Subgenre Kracher um Kracher. Doch zwangsläufig musste die Euphorie irgendwann wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Die schwammigen, formlosen Linien von „Februus“ gaben einen erstes Indiz für eine solche Negativentwicklung.
Aber Palm Mutes finden scheinbar immer ihren Weg. Hier sind wir nun, im Jahr 2017. Djent hat seine Hype-Phase erstaunlich gut überstanden und wird von Gruppen wie VOLA inzwischen sogar neu erfunden. Die Mannen von PERIPHERY kloppen immer noch ein Ding nach dem anderen raus, als wären sie gerade erst 20 geworden, TESSERACT atmen trotz Pop-Orientierung kontinuierlich weiter und dass sich nun sogar UNEVEN STRUCTURE zurückmelden, ist die Krönung. Fehlen eigentlich nur noch, dass sich VIDHJARTA aus der Asche erheben (und wo bleibt eigentlich Teil 2 des „Phenotype / Genotype“ Doppeldeckers von TEXTURES?).
Nach dem eher substanzlosen Erstling fällt „La Partition“ unter der Fuchtel des neuen Labels Long Branch zunächst einmal mit erhöhtem Songwriting-Anspruch positiv auf. Man hat nicht mehr unbedingt das Gefühl, sinnlos in einem Ambient-Meer zu treiben, auch wenn ein solches nach wie vor den Horizont bildet (hätte man es ganz weggelassen, hätte dies wohl auch völligen Identitätsverlust bedeutet). Die Instrumentierung bemüht sich aber mehr um Struktur und Dramaturgie als bisher. In Sachen Songdynamik ist auf jeden Fall ein Fortschritt gelungen.
Dass UNEVEN STRUCTURE dennoch Füllmasse bleiben, liegt am schlechten Timing. Wäre dieses Material vor sechs Jahren anstelle des damaligen Albums erschienen, hätte es eine gute Basis für weitere Schandtaten bedeutet. Heute klingt das alles wie ein alter Hut, nicht zuletzt, weil man die Vergleiche zu relevanteren Referenzen immer noch mit zu viel Leichtigkeit aus dem Ärmel zaubern kann. Wenn ein Stück wie „Crystal Teeth“ schon an LITHIUM DAWN erinnert, die ihrerseits nicht gerade zu den Individuellsten ihrer Gilde zählen, ist es um die Originalität nicht weit bestellt, auch wenn das damit verknüpfte SciFi-Noir-Flair nach wie vor seinen Reiz hat. Auf „Funambule“ wird wiederum auf grundsätzlich einfallsreiche Art und Weise mit Bendings gespielt – wären MESHUGGAH letztes Jahr im Stück „The Ivory Tower“ nicht schon auf die gleiche Idee gekommen.
Für den Hörgenuss liegt das eigentliche Problem allerdings nicht im Songmaterial, das trotz fehlender Originalitätsboni annehmbar ausfällt, sondern in der Produktion. Sofern die Promo-mp3 tatsächlich repräsentativ für die Klangqualität der CD ist, muss man sich mit einer blassen Abmischung arrangieren, die es den bis zu drei Gitarristen nicht erlaubt, mit ihren Instrumenten Druck auszuüben, obwohl die Musik des Sechsers hauptsächlich von seiner tiefgestimmten Gitarrenarbeit lebt. Matthieu Romarin, der sich wie all seine Kollegen im Grunz- und Klargesang übt, sieht seine schon von Natur aus nicht an der Spitze der Zunft stehende Stimme im Wind zerbröckeln wie grauer Aschefilm; und das Schlagzeug ist in vielen Momenten nur ein Rascheln im Papierwald.
FAZIT: Sechs Jahre nach „Februus“ sind die Anführungszeichen rund um den Begriff DJENT nun also verschwunden. Zeichen der Gewöhnung an eine unliebsame Stilbezeichnung? UNEVEN STRUCTURE unternehmen zwar ein paar Dinge, um sich wieder ins Gespräch zu bringen: „La Partition“ ist kompositorisch ambitioniert, sieht sich gegenüber aktuellen Platzhirschen aber um mehrere Jahre zurückgeworfen. In Sachen Klang macht es zudem wenigstens auf der bereitgestellten mp3 keinen besonders guten Eindruck. Vielleicht klingt die CD oder die Doppel-LP (mit dem Vinyl-Bonustrack „Elated & Grieving“) ja besser und damit das ganze Paket anders...
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.04.2017
Benoit Friedrich
Matthieu Romarin
Igor Omodei, Jérôme Colombelli, Steeves Hostin
Arnaud Verrier
Long Branch
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21.04.2017