"Außen hui, innen pfui" – mag die erste Reaktion sein, die dieses Live-Release provoziert. Äußerst geschmackvoll und (so dämlich das Wort auch ist) wertig verpackt kommen die beiden Silberlinge (DVD und CD) daher, auch ein fotoreiches Booklet ist geboten. Soweit zum "hui"...
Unter einem Live-Album stellt man sich wohl gemeinhin einen Konzertmit- oder -zusammenschnitt, optional mit Zusatzmaterial angereichert, vor: Im Fall von U217 verhält es sich genau anders herum: Der Konzertmitschnitt, der gewissermaßen das Herzstück des Ganzen bildet oder bilden soll, ist mit einer guten halben Stunde Spielzeit allenfalls ein Kleinod inmitten dessen, was den Löwenanteil der DVD ausmacht: Verschiedene Aufnahmen, hauptsächlich Studio- und Sessionmitschnitte, aber auch einzelne Live-Auftritte und Musikvideos, zusammengetragen aus verschiedenen Stadien der Bandgeschichte. Das allein wäre noch kein Grund für eine negative Beurteilung, aber: Die Bildqualität des Konzertmitschnitts ist eher düster-grisselig, blässliche Farben und bisweilen eher zweifelhafte Kameraführung tun ihr Übriges. Die Songs sind durch harte Schnitte voneinander getrennt, manchmal wird das Bild auch sekundenlang schwarz. Außerdem stimmt die tatsächliche Abspielreihenfolge nicht mit der angegebenen überein. Fürderhin scheint es tatsächlich der Fall zu sein, dass die genannten anderen, gemischten Videos allesamt auf dem bandeigenen Youtube-Channel zu finden sind - nicht gerade ein Kaufargument. Und auch hier ruft die Reihenfolge Kopfschütteln hervor: Anstatt (wenigstens) die Entwicklung der Band in chronologisch geordneten Bewegtbildern nachzuzeichnen, wird wahllos durcheinander geworfen.
Auf CD gibt es dann den Konzertmitschnitt nochmal – nur eben ohne Bild und mit einem zusätzlichen Song („Ease“). Außerdem wurden als kleines „Zuckerl“ noch drei bisher unveröffentlichte und (durchaus gefällige) Songs hinten angehängt – kaufen Leute, kaufen!
Ja, kein Witz. Denn so sehr man dem Video-Verantwortlichen einen Windows Movie Maker-Kurs an der VHS an den Hals wünschen mag: Was diese Band musikalisch aufs Parkett legt, kann ihr keine halbgare visuelle Aufbereitung nehmen. Irgendwo in den Randbereichen des Doom angesiedelt, brennen die Griechen ein feierlich-ekstatisches Feuerwerk ab, regen zu kreativen Wort-Neuschöpfungen wie „Funeral Psychedelia“ oder einfach nur zum entrückten Genießen an. Nicht nur, aber zu einem erklecklichen Teil zeichnet sich für den ganz eigenen Sound der Band die betörend singende, kreischende, deklamierende, beschwörende (…) Frontfrau Tanua verantwortlich: In meiner kreativen Laune versteige ich mich dazu, sie hochachtungsvoll eine Mischung aus Grace Slick, Janis Joplin, Jarboe und Matt Bellamy zu nennen…
Der weitgehend vom Synthesizer befreite Liveklang steht den 217ern bestens zu Gesicht, diese Hinwendung zu einer konkreteren, erdigeren Umsetzung der eigenen Kompositionen war bereits auf dem letztjährigen Album „Change“ zu hören, von dem es zwei Stücke auf „Live“ geschafft haben und dessen Großartigkeit hier zumindest ein Nebensatz gewidmet werden muss.
Konzentriert man sich weniger auf die Augen, als auf die Ohren, ist auch den vielen Live-Clips viel abzugewinnen: Vor allem, wie hier oftmals der Fokus auf eine intimere, eher akustische Umsetzung gelegt wird, gefällt: Der atmosphärische und immens intensive, „Knot Gallery“ betitelte Auftritt beispielsweise ist „mind-blowing“.
FAZIT: Einfach den Bildschirm ausschalten (am besten das Handy gleich mit), Augen schließen und sich davontragen lassen. Mag die bildliche Aufbereitung zweifelhaft anmuten, der Musik tut das keinen Abbruch. Und in dieser Hinsicht ist „Live“ eine wirklich gute Sache: Rückschau, Best-Of und Einstiegsdroge, das Ticket in den hellenischen Kaninchenbau.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.09.2017
Nikos Panagiotopoulos
Tanua Leontiou
Manos Georgakopoulos
Manos Giakoumakis, Manos Georgakopoulos
Manos Giakoumakis
Van Records
CD: 55:32; DVD: 90:00
24.02.2017