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Unru / Tongue: Split

Stil: Crust / Black Metal / Hardcore

Cover: Unru / Tongue: Split

Die Mischung von Black Metal mit Crust Punk oder Hardcore ist nicht erst seit gestern ein reizvolles Unterfangen, wenn man etwa von den kanadischen Pionieren ISKRA ausgeht oder sich auch WOLVES IN THE THRONE ROOM beruft, die gleichwohl nur noch wenig Punkiges in ihrer Musik zu Gehör bringen, aber hinsichtlich ihrer Einstellung eindeutig dort verwurzelt bleiben. Was das mit dieser Split-EP zu tun hat? Die beiden Beteiligten - blutjunge Bands aus Deutschland mit in jeder Hinsicht monochronem Image und Sound - vertreten eine gegenwärtig rollende Mini-Welle, die ihren Schwung genau durch diesen Crossover gewinnt.

Anonym möchten beide Gruppen bleiben, denn die Mitglieder sowohl von UNRU als auch TONGUE gehen hinter den Initialen ihrer bürgerlichen Namen zu Kollektiven auf, die ihre Musik für sich sprechen lassen möchten. Erstere machten dies schon auf ihrem Album “Als Tier ist der Mensch nichts” deutlich, indem sie die Songs gratis zum Download aus dem Netz bereitstellten und dieselben Clubs beschallten, welche die Hardcore-Szene frequentiert. Mittlerweile hat auch die Black-Metal-Hörerschaft ihr Schaffen, das sich der Reinform dieses Stils weiter annähert, billigerweise wahrgenommen; sie dürfte auch bei der Auseinandersetzung mit dieser Split Genugtuung verspüren.

TONGUE wiederum, die auch erst 2014 aus dem schwarzen Ei geschlüpft sind, hielten sich auf ihrem Debütalbum geradezu sklavisch an die US-amerikanische Black-Metal-Formel, konkret den Sound des Pazifischen Nordwesten, wo auch die erwähnten Wölfe jagen. "Tongue" hatte vor drei Jahren aber gerade deshalb einen anachronistischen Charme, ohne dass man die Abkupferer unsympathisch fand, und dieser postive Eindruck bleibt beim Hören ihres Split-Beitrags erhalten.

UNRU schaffen es mit 'Intimhölle in knapp weniger als neun Minuten, einen tiefen Abgrund aufzureißen, der extrem verhallt an norwegische Lo-Fi-Strategen der Frühneunziger erinnert, bloß dass der Band die eisig kalten Melodien abgehen. Sicher, die Gitarren flirren, doch der Track fußt auf monotonen Motiven und gewinnt seine Dynamik einzig aus seinen zahlreichen Tempovariationen. Gibt das Quartett Gas, nähert es sich dem Crust Punk, was TONGUE mit ihrem Beitrag nicht tun. Sie setzen auf Harmonien und Hooks im klassischen Sinn, die sich aus erinnerbaren Tonfolgen ergeben. Der amerikanische Einfluss ist auch in 'Omega Male' wieder herauszuhören, der Sound zudem transparenter als bei UNRU, wie er bei dieser Ausrichtung auch sein muss.

FAZIT: Black Metal in seiner aktuellen Vielfalt, dargeboten von zwei hoffnungsvollen deutschen Newcomern, die den Begriff stilistisch weiter fassen als die orthodoxe Basis, neue Denkansätze wagen und dabei verschiedene kulturelle Genre-Traditionen (Skandinavien, Amerika) miteinander vereinen.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.09.2017

Tracklist

  1. UNRU - Intimhölle/Regression
  2. TONGUE - Omega Male

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Supreme Chaos

  • Spieldauer

    18:02

  • Erscheinungsdatum

    22.09.2017

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