<i>„Mantra (Sanskrit: Spruch, Lied, Hymne‘) bezeichnet eine heilige Silbe, ein heiliges Wort oder einen heiligen Vers. Diese sind „Klangkörper“ einer spirituellen Kraft, die sich durch meist repetitives Rezitieren im Diesseits manifestieren soll.“</i> [Quelle: Wikipedia]
An obige Beschreibung halten sich VIBRAVOID konsequent und repetieren die Geister des Jahres 1967 ins weit weniger spirituelle 2017. Und womit beginnt das Album logischerweise?
Genau, mit „Mushrooms“, in eine psychedelische, tanzbare und mitreißende Hymne umgewandelt. Die in der Zeile gipfelt: „All you need to blow your mind you could find, if you just look around!“ Ein frommer Wunsch, ganz im Geiste von KULA SHAKER und den frühen PINK FLOYD vorgetragen. Spuren der letzteren lassen sich noch intensiver beim folgenden „The Legend Of Dr. Robert“ finden, während das spacige „Echoes Of Time“ mehr dem Geist HAWKWINDs frönt.
VIBRAVOID bleiben dabei erstaunlich originär, weil sie sämtliche Zutaten auf ganz eigene Art vermischen und das Gespür für einnehmende Melodik und deftige Rhythmen bei allem Flirren, Wabern und Herumtaumeln, nie verlorengeht. Die ersten Stücke rocken ordentlich los, Christian Koch spielt eine erstaunlich scharfe Gitarre, während Sitar und sämtliche Keyboardspuren für die halluzinogenen Parts zuständig sind, gerne im Verbund mit dem repetitiven, beschwörenden Gesang.
Erst mit „Purple Pepper“ wird es etwas verträumter, ohne an Überzeugungskraft einzubüßen. Neben dem Opener „Om Gang Ganpataye Namah“ (der in jeden guten Indie-Tanzschuppen gehört) der heimliche Hit des Albums. Getragen, schwebend, hypnotisch, mit einprägsamem Refrain („How Do You Feel“) lässt man sich gerne bedröhnt oder schlaftrunken in VIBRAVOIDs starke Arme fallen und weiß, man wird aufgefangen. Das abschließende „Orange Coat“ ist am stärksten der Musik Indiens verhaftet, in der ersten Hälfte von der Sitar und künstlichem Vogelgezwitscher geprägt, lässt man sich entspannt treiben, ohne je in lauwarme New Age-Gewässer abzutauchen. Im weiteren Verlauf übernimmt die E-Gitarre das Kommando und gleitet Richtung freigeistigen Alternative-Rock wie ihn FELT oder die DURUTTI COLUMN mit Wonne und gekonnt zelebrierten. Und dann: Mellotron. Ganz starker, zwanzigminütiger Ausklang der regulären Spielzeit. Der eine Verlängerung folgt.
Ergänzt wird das bis dahin zupackende Album um die „Vibrations From The Cosmic Void“, die aus dem Jahr 1992 stammen und sich genauso anhören. „Krautfaktor I – III“ sind eine exzellente Hommage an vergangene Krautrock-Trips, in denen mit LSD, Pilzen und was sonst noch experimentiert wurde, man sich im Ashra Tempel vergrub, um orangeroten Träumen zu folgen, oder Bühnen einfach enterte, um draufloszuspielen, während sich das geneigte Publikum in Ekstase groovte. Der Tanz der Lemminge im Kraftwerk, ein auf- und abschwellen vor Lava-Projektionen. VIBRAVOID kriegen das locker hin, wirken dabei aber viel professioneller als ihre Urväter. Was der Musik aber nicht schadet. Meditative Musik für Unerschrockene und kosmische Pioniere.
FAZIT: "Turn on, Tune in, Drop out“ zelebrieren VIBRAVOID erneut kunstgerecht auf ihrem aktuellen Tonträger. Ein spannender Trip durch Zeit und Raum, zwischen Okzident und Orient, von launigem Space-Pop zu oszillierenden Instrumentalexpeditionen. Krautrock ist kein Schimpfwort, und VIBRAVOID zeigen wie er zwischen 1992 und heute bestens funktionieren kann.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.11.2017
Dario Treese
Christian Koch
Christian Koch
Dario Treese
Frank Matenaar
Stoned Karma Records
71:51
17.11.2017