Mit ihrem zweiten Album stecken VOIVOD noch tief im Thrash Metal, sondern sich aber musikalisch erstmals deutlicher vom Gros der Szene ab, nachdem sie bereits zu Debüt-Zeiten einzigartige textliche Zeichen setzten … denn niemand verbreitete Weltuntergangsstimmung so intensiv und doch augenzwinkernd, dass es in seiner überzeichneten Art glaubwürdiger und beängstigender wirkte als die cartooneske Kalter-Krieg-Bildersprache vor allem US-amerikanischer Gruppen.
Im kanadischen Québec ticken die Uhren bis heute anders, wie jeder weiß, der einmal in der Provinz gewesen ist, und ihren Eigensinn haben sich VOIVOD bis heute behalten. Snake hat sich letztlich eine Karriere aus seinem Nichtgesang gestrickt, der auf "Rrröööaaarrr" noch sehr gut zum ruppigen Fundament passt, wo sich heute jene Geister scheiden, die den Prog der Band mögen, sich aber eben nicht mit seiner Stimme anfreunden können. Damalige Klopfer wie 'Thrashing Rage' - der Titel sagt alles - lassen aber keine Zweideutigkeiten zu und treffen voll ins Schwarze,
Das Remastering, mit dem die Strippenzieher hinter den Noise-Neuauflagen werben, wäre angesichts der wüsten wie transparenten Originalbearbeitung der Produktion nicht nötig gewesen, aber der Hervorhebung von Denis "Piggy" D'Amours Gitarrenkniffen schadet das Unterfangen sicherlich nicht. Auf "Rrröööaaarrr" wurde selten standardmäßig gerifft - zwei Strophen lang - und dann auf Höhe des zwölften Bundes mehr oder weniger kreativ soliert. Der alleinige Sechssaiter der Band ließ sich stets etwas Besonderes einfallen - auch und gerade akkordisch -, wie auch die angefügten Live-Darbietungen im Bonusteil andeuten.
Andeuten, jawohl - denn manches, womit die "Verlängerung" dieses wie auch jene der anderen Re-Releases aufwartet, ist klanglich verständlicherweise grenzwertig aufgefallen. Anderseits spiegelt es den Zeitgeist der Mittachtziger wider, grenzenlose Euphorie und zugleich verhaltene Experimentierfreude. Das Extramaterial beläuft sich auf einen kompletten Auftritt ("Spectrum ’86 No Speed Limit Week-End" genannt), das gesamte Album als Demo (tatsächlich sehr hörenswert in der Gegenüberstellung), Proberaum-Getrümmer und eine bis dato nicht offiziell herausgegebene Klangcollage aus Gitarrengenie Piggys Feder. Die fies alt aussehenden Filmaufnahmen passen wiederum zum kratzigen Gesamtambiente dieses unumstößlichen Klassikers.
FAZIT: Die unter BMG herausgegebenen Noise-Wiederveröffentlichungen sind unbedingt empfehlenswert - auch VOIVODs zweites Album in dieser Form. Sie zeigt eine noch stark von VENOM und MOTÖRHEAD (ohne Rock 'n' Roll) geprägte Band, bereichert um massiv ausgefallenes Bonusmaterial mit 14 Konzerttracks von 1986 in geringfügig besserer Bootleg-Qualität und die definitive Konzertpremiere der Musiker ("Anachronism – Live"), die hier noch chaotisch am Limit spielen, aber aufblitzen lassen, wofür sie heute gerühmt werden. Muss man als geschichtsbewusster Metalhead haben. <img src="http://vg09.met.vgwort.de/na/99050a335ae24a11954cd10e37d08bcb" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.04.2017
Blacky
Snake
Piggy
Away
Noise / BMG / Rough Trade
lang!
28.04.2017