WARS aus England haben eine steile Karrierekurve hinter- und potentiell vor sich: Nach einer EP, der eine Reihe positiver Reaktionen beschert war, ließ man sich von einem der vielen Krakenarme von Universal an die Hand nehmen. Nun steht die erste LP in den Läden, mit schickem Cover und schicken Musikvideos und allem.
Wer bei dem Begriff „Post-Hardcore“ an die eher atmosphärisch-ziselierte Ausrichtung der Emo-Amis aus dem The-Wave-Umfeld (LA DISPUTE, PIANOS BECOME TEETH, TOUCHÉ AMORÉ, …) denkt, wird mit „We Are Islands, After All“ wohl zumindest eine Überraschung, wenn nicht gar Enttäuschung erleben. Die Standard-Schablone der Briten sieht in etwa so aus: (Primitives) Metalcore-Riffing mit Rob Vicars' starkem Schreigesang + (pürierte) Emotionen, in mainstream-rockige Refrains verpackt mit nicht ganz so überzeugendem Klargesang von Sam Barnard.
Das mag sich nun auf den ersten Blick nicht sonderlich schmeichelhaft anhören, fast wider Willen muss man dem Album aber eine Sog- oder Klebewirkung zusprechen: Eine ohrwurmige Mischung aus zugänglicher Aggressivität und Hooks, die beinahe allesamt insofern höchst gelungen sind, dass sie wie eine kühle Cola an einem heißen Tag die Kehle hinunterlaufen – eigentlich ist das Zeug eine ungesunde Zuckersuppe, das nächste Klo ist 20 Kilometer Stop-and-go entfernt, der Durst wird auf Lange Sicht eher schlimmer als gelöscht, aber: Ahhh!
Gerade für gelegentliches- oder Nebenbei-Hören empfiehlt sich das Album somit wärmstens, auch dem ein oder anderen aufmerksam belauschten Durchlauf hält die gute Laune noch Stand: Früher oder später drängt sich leider der Eindruck einer gewissen Substanzlosigkeit auf.
So sind WARS zwar durch die Bank eingängige und mitreißende Songs gelungen (v.a. „That By Discord, Things Increase“, „Sciamachy Scenes“, „Hailing Distance“), es fällt aber schwer, auch nur einen davon, als wirklich „gut“ zu bezeichnen: Zu sehr hängt die Band am Strophe-Refrain-Schema, zu absehbar folgt auf die Aggression die Hook, manchmal ein Breakdown. Zu oft verlegt man sich auf zwar wirkungsvolle, aber nicht wirklich beeindruckende Standard- oder Single-Note-Riffs. Anstatt von der emotionalen Wucht des Schreis Gebrauch zu machen, ertränkt man sich im Klargesang, zieht sich in die erprobte Komfortzone zurück.
Der Vollständigkeit halber muss gesagt werden, dass man ein einziges Mal den Klargesang Klargesang sein lässt: „Hills And Boulders“ ist aber wie zum Ausgleich derart unbefriedigend instrumentiert und inszeniert, dass die erhoffte Spannungsentladung wiederum zu einem großen Teil verpufft.
Zuletzt wird aber doch noch alles anders: „Charcoal Days“ beschließt das Album als ruhiger Epilog, getragen und – je nach Standpunkt – ein bisschen (zu) kitschig. Nach zehnminütiger Stille (Braucht man das?) gibt es noch ein gefühlvoll intoniertes Gedicht zu erhebender langsamer Gitarrenbegleitung – was man WARS sicher nicht unterstellen kann, ist, ihre Kunst nicht ernstzunehmen oder sich keine Mühe zu geben. Nur in den von ihnen gewählten Mitteln bleibt noch ein wenig zu viel stecken, um das Album zu einem rundum gelungenen zu machen.
FAZIT: WARS geben einen ordentlichen Album-Einstand, mitreißender Hardcore mit eingängigen Melodien je nach Empfinden ge- oder verwürzt. Fans von ARCHITECTS und Konsorten sollten definitiv ein Ohr riskieren. Mehr Mut (und somit interessantere Songstrukturen, mehr Abwechslung und Intensität) hätten WARS beweisen müssen, um aus Vergnügen Begeisterung werden zu lassen.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.03.2017
Rich Bennett
Rob Vicars, Sam Barnard
Sam Barnard, Matt Burns
Lee Tysall
Spinefarm Records
46:54
27.01.2017