"Writer's block", der Alptraum eines jeden Musikers … Will Hoge hat die kreative Flaute im Vorfeld dieser Veröffentlichung am eigenen Leib zu spüren gekommen, allerdings Kraft daraus geschöpft und die Flucht nach vorne angetreten, indem er einfach nur mit Klampfe und Tasteninstrument bewaffnet durch sein Heimatland tingelte, um seinen musikalischen Ursprüngen nachzuspüren bzw. das alte Feuer wieder zu entzünden. Ein Widerspruch ist es dabei nur auf den zweiten Blick, dass der Mann unterbewusst Simplizität in allen Lebens- und Schaffenslagen predigt.
Während seier Solokonzerte ohne Netz und doppelten Boden besann sich der Künstler des Zaubers, dessentwegen er eigentlich einmal mit dem Musikmachen begonnen hatte, ehe er sich mit einer Reihe abgeklärter Session-Leute anschickte, Songideen zu einem Album auszuarbeiten. Mit an Bord waren u.a. Emmylou Harris' Schlagzeuger Jerry Roe, Jack Whites Zuarbeiter Dominic Davis am Bass und SON-VOLT-Gitarrist Brad Rice, wobei eine Platte realisiert wurde, die ganz im Zeichen nordamerikaniscer Folk-Musik steht.
Country-Bezüge lassen sich nicht nur in Gestalt des Gastbeitrags von Sheryl Crow ausmachen, aber Hoge interpretiert die Konventionen jenes Genres ebenso frei wie etwa Bob Seger oder Chef-Zyniker Warren Zevon, bei denen er gewiss wenigstens eine Zeitlang die Schulbank drückte. Der junge Mann ist mit einem Rocker-Herz beseelt, ganz zu schweigen von seiner belebenden, den Hörer kräftigenden Stimme und einer Form von Tiefsinn, die nicht allzu introvertiert anmutet.
Unter diesen Vorzeichen hat Hoge für "Anchors" akustische Narrative über eigentümliche Figuren geschaffen, die bestimmt alle irgendwie sein eigenes Ich widerspiegeln. Es sind Songs über die Verantwortung, die das Erwachsenenleben mit sich bringt, und Widerstandsfähigkeit herben Schicksalsschlägen zum Trotz. Momente Springsteen-schen Heartland Rocks befinden sich eindeutig in der Minderheit, sind aber andererseits keineswegs bloße Gimmicks, denn Aufbegehren, wie es der Boss jederzeit nahbar vermittelt(e), gehört besonders in einer scheinbar ausweglosen Situation unbedingt dazu.
FAZIT: Nach rund anderthalb Dekaden legt Will Hoge mit "Anchors" vermutlich sein Referenzwerk vor. Als folkloristische Studie mit Ausflügen in Country-, Blues- und Rock-Gefilde bestätigt die Scheibe, dass jeder Mensch und speziell ein Künstler seinem Herzen folgen muss, um langfristig glücklich zu werden bzw. ein Vermächtnis von Relevanz zu hinterlassen. Das Gute liegt meistens im Einfachen. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/e7cd9cea04fc44eca05a1195767bebbf" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.08.2017
EDLO / Alive
38:42
11.08.2017