Manchmal ist es richtig verflixt mit einer Kritik, wenn gleich zwei Kritiker der gleichen Seite – ohne es zu wissen - jeweils das gleiche Album zum Besprechen erhalten und sich darüber hermachen. Der Schnellere der Beiden veröffentlicht sie dann und der andere „trägere“ Schreiber hat die Nase, sitzt vor seinen Aufzeichnungen, ist begeistert von einem Album und kann das im Grunde nicht unter der Seite, für die beide Redakteure schreiben, veröffentlichen, da eigentlich zu jedem Album nur eine Review erscheint. Aber es gibt auch Ausnahmen, die ja bekanntlich die Regel bestätigen – und bei „Memoirs In Monochrome“ von YSMA muss diese Ausnahmeregel unbedingt in Kraft gesetzt werden, denn wir haben es hier mit einem ausgezeichneten, im besten Sinne progressiven Instrumental-Album, das sogar ein eindeutiges Konzept verfolgt, zu tun.
Natürlich werde ich nun nicht das wiederholen, was Andreas in völliger Übereinstimmung mit meinen Eindrücken bereits festgestellt hat, sondern ergänzend dazu noch auf ein paar Dinge zu der CD eingehen, die meine Bewertung sogar noch etwas höher ausfallen lässt, auch weil ich bereits in einem anderen Webzine zu dem gleichwertigen <a href="https://ysma.bandcamp.com/album/fourth-wall-2014" rel="nofollow">Vorgänger-Album „Fourth Wall“</a> feststellte, „dass plötzlich mit YSMA eine Band aus der deutschen Prog-Instrumental-Versenkung auftaucht und ein Album raushaut, dass einen niederknien lässt, weil sie in einem gänzlich unbeachteten, aber trotzdem umso besseren Genre voller Leidenschaft und Idealismus eine kleines Meisterwerk veröffentlichen“.
Seit „Fourth Wall“ sind nun schon wieder drei Jahre vergangen und für „Memoirs In Monochrome“ muss festgestellt werden, dass sich die Wartezeit auf die Fortsetzung gelohnt hat, so schwer es wohl auch sein musste nach besagtem Meisterwerk ein weiteres in solcher Spitzenqualität folgen zu lassen. Obwohl der erste Eindruck etwas enttäuschend ist. Dieses viel zu dunkle Digipak-Cover – egal wie der Album-Titel auch lauten mag – hält nicht die Qualität des Digipaks von „Fourth Wall“, das Erinnerungen an MARILLIONs „Script“-Phase weckte. Nun also entdeckt man beim ganz genauen Hinsehen rechtsseitig ein paar dunkelgraue Glas-Flakons, die für chemische Experimente verwendet werden. Öffnet man das Digipak wird man mit einem Bild, welches dem Urknall gleicht, und den Worten: „I like a lucid dream in black and white. All colour seems to fade from this place“, begrüßt, dem dann das Bild mit dem traurigen Gesicht des alten Mannes folgt, das für diese Review als Cover-Bild gewählt wurde.
Am Ende des Booklets, das in lyrischer und erzählerischer Form die Geschichte hinter „Memoirs In Chrome“, in der es um einen Glasbläser geht, den all seine Kräfte und in besonderem sein Augenlicht verlassen, erhalten wir noch den Hinweis, dass dieses Album bitte nicht nebenbei gehört werden sollte, sondern in aller Ruhe mit weit aufgedrehtem Lautstärkeregler. Und dass dies nicht nur so einfach dahingeschrieben ist, wird bereits nach wenigen Hörminuten klar, denn dieses Spiel zwischen lauten und leisen, elektrifizierten und akustischen, balladesken und metallischen Tönen sowie Fragilem und Bombastischen, Orchestralem und Melodischem, das einem in bester Stereo-Aufnahmequalität entgegenschlägt, fordert tatsächlich die volle Konzentration des Hörers ein.
„Memoirs In Monochrome“ ist ein ständiges Auf und Ab, mal hektisch, dann wieder beruhigend und am Ende sich wie ein instrumentaler Kreis um die im Booklet enthaltende Geschichte schließendes Konzept: „If then, for just one fleeting moment, / My fingers touch the dusty glass / A flighty glimpse, a fading thought / Reminds me of who I once was“.
Da trägt einer in sich (s)einen inneren Krieg zwischen dem, was er einst war – voller Leben und Leidenschaft - und demjenigen, der er nun ist – ein altes, gebrochenes, menschliches Opfer der eigenen Umstände – aus und YSMA lassen uns an diesem Kampf mit ihrem vielfältigen, instrumentalen Prog-Rock teilhaben.
FAZIT: In einem <a href="http://musikreviews.de/interviews/07-09-2014/Ysma/" rel="nofollow">Interview mit unserem Kollegen Schiffmann zu „Fourth Wall“ (2014)</a> antwortete der YSMA-Gitarrist Daniel Kluger auf die Frage nach zukünftigen Ambitionen mit ironischem Unterton: „Wir wollen Reichtum, Macht und Ehre!“ - und ergänzt dann deutlich ernster: „Wir wollen genügend Zuhörer, damit wir unseren bisherigen Stil beibehalten und weiterentwickeln können.“ Mit dem Reichtum und der Macht wird‘s wohl nichts werden, aber nach „Memoirs In Monochrome“ gibt‘s garantiert jede Menge große Anerkennung und genügend Zuhörer sind bei dieser Qualität YSMA sicher auch garantiert!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.06.2017
Attila Kornel
Daniel Kluger, Fabian Schroer
Arne Timm
Simon Eggert
Eigenvertrieb
57:50
31.05.2017