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Agrypnie: Grenzgænger/Pavor Nocturnus

Stil: Post-Black Metal

Cover: Agrypnie: Grenzgænger/Pavor Nocturnus

AGRYPNIE wagen die große Tour: Nicht nur veröffenlticht das Duo mit “Grenzgænger” ein umfängliches neues Album, auf dem sich zahlreiche Gäste aus dem deutschen Post-Black Metal-Umfeld tummeln, sondern auch präsentiert auch die frühesten AGRYPNIE-Songs, die auf einer Split ihren Weg ans Licht fanden, in neuem (nicht nur neu gemasterten, sondern neu aufgenommenem) Gewand. Wohl nicht zuletzt um die Spielzeit dieses Doppelalbums ausgewogen zu gestalten, finden sich auf “Pavor Nocturnus” außer den neuen alten Songs einige orchestrale Neuarrangements von Bandklassikern wie „Fenster zum Hof“ oder “Brücke aus Glas”.

Nach einem ambienten Intro stürmt der Opener “Auferstehung” brachial aus den Startlöchern, konfrontiert den Hörer mit dem, was er/sie höchstwahrscheinlich erwartet hat: Deutsche, halbwegs verständlich gebrüllte Texte, depressiv-aggressive, mehr oder weniger ungelenke Lyrik, maschinell gespielte Drums (generell legen AGRYPNIE wie viele ihrer Eidesgenossen wenig wert auf einen lebendigen, organischen Sound), Gitarren, die sich trotz gelegentlicher Ausbrüche in eher gemäßigten Schwüngen bewegen, eingängige Melodien.

Zunächst hat man ein wenig Sorge, ob AGRYPNIE genug Kraft hinter die Ruderpinne bekommen, um die düstre Stimmung ihrer Musik nicht zur Vorbedingung des Genusses derselben erklären zu müssen, mit anderen Worten, ob das Album in der Lage ist, auch ohne entsprechende emotionale Vorverfasstheit von sich zu überzeugen. Gerade das recht prätentiöse “Aus Zeit erhebt sich Ewigkeit” (hier steuert Eviga von DORNENREICH Text und Gesang bei) droht sich bei hellem Licht betrachtet lächerlich zu machen, was in diesem Fall besonders schade ist, nachdem hier instrumental einiges zu holen ist.

Insgesamt kann man AGRYPNIE (also in diesem Fall Torsten Hirsch/“der Unhold“) für ihre Kompositionen nur Komplimente machen. Er geht nicht der Versuchung übermäßig poppiger Refrains ins Netz, gerät andererseits nicht in die Verlegenheit, dürftiges Material künstlich aufblasen zu müssen. Die mitunter recht scharfen Brüche und Kanten in den Songstrukturen sorgen für eine spannende Vitalität. Endgültig überzeugt das Album nach dem ebenfalls ordentlichen „Nychthemeron“ mit dem Titelsong „Grenzgænger“: Hier treffen rabiate, abgehackte Riffs auf eine punktgenau und sehr mitreißend artikulierte Schreileistung, sowie auf episch-majestätische Anklänge, die über die naheliegenden (und personell verschränkten) Referenz-Gruppen hinaus auf Breitleinwand-Black Metal a la BEHEMOTH deuten.

Mit seiner stattlichen Länge von mehr als einer Stunde sieht sich „Grenzgænger“ natürlicherweise dem Verdacht ausgesetzt, Opfer einer zu zögerlichen Hand im Schneideraum geworden zu sein. Zuletzt erscheint dieses Zögern jedoch nur allzu nachvollziehbar: Ja, man kann sich über das Fehlen wirklich markanter Stilvarianz mokieren, andererseits gibt es, gesetzt man hat die erste Hälfte des Albums genossen, keinen Grund, die zweite von der Bettkante zu stoßen.

Doch was heißt zweite Hälfte? Nach „Zu Grabe“ ist strenggenommen noch nicht einmal ansatzweise Schluss: Der Doppelalbum-Logik folgend folgen nun die drei neu aufgenommenen Songs von der FATED-Split: „Veritas Mutabilis“, „Pavor Nocturnus“ und „Agrypnie“. Etwas weniger massiv als das aktuelle Material, dafür nicht selten schneller, aggressiver sehen sie neben „Grenzgænger“ alles andere als schlecht aus. Eine gute und nachvollziehbare Entscheidung also, diese „verlorenen Perlen“ neu zu präsentieren. Nachvollziehbar ist auch der Wunsch, aus „Pavor Nocturnus“ ein ganzes Album zu machen, durchaus. Womit sich AGRYPNIE entschlossen haben, die restliche Zeit zu füllen… muss man mögen.

Auf „Neon“, dem einzig wirklich neuen Song auf „Pavor Nocturnus“ gibt es eine Art verhuscht-ätherischen Synthwave, Marta Braun von TODTGELICHTER steuert wenig aufregenden Gesang bei.
Es folgen: fünf „orchestrale Neuinterpretationen“, für die sich der Komponist Rüdiger Gleisberg verantwortlich zeichnet. Abgesehen von der Frage, ob dieser irgendwie zusammengeschusterte Aufbau von „Pavor Nocturnus“ Sinn macht, und ob man als Post-BM-Interessent überhaupt für „orchestrale Neuinterpretationen“ seiner Lieblingssongs zu Verfügung steht: Recht schwerfällig, mechanisch, nach 0815-Soundtrack klingt die Mehrzahl der Stücke. Passender wäre da sicherlich eine Neuaufnahme mit Akustikgitarre gewesen, oder Live-Versionen, oder womit man eben sonst eine Bonus-CD/LP füllt.

FAZIT: AGRYPNIE veröffentlichen mit „Grenzgænger“/“Pavor Nocturnus“ vielleicht kein vollwertiges Doppelalbum, ein sehr starkes neues Werk plus drei willkommene Neuaufnahmen alter Songs sind jedoch Grund genug, beide Daumen zu erheben.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.10.2018

Tracklist

  1. Grenzgænger:
  2. ---------------------
  3. Auferstehung
  4. In die Tiefe
  5. Aus Zeit erhebt sich Ewigkeit
  6. Nychthemeron
  7. Grenzgænger
  8. Die Waisen des Daidalos
  9. Die längste Nacht
  10. Zu Grabe
  11. Pavor Nocturnus:
  12. --------------------------
  13. Veritas Mutabilis
  14. Pavor Nocturnus
  15. Agrypnie
  16. Neon
  17. Sinnflut
  18. Augenblick
  19. 16[485] - Brücke aus Glas
  20. Fenster zum Hof
  21. Cogito Ergo Sum

Besetzung

  • Bass

    Torsten Hirsch

  • Gesang

    Torsten Hirsch

  • Gitarre

    Torsten Hirsch, Andreas Ballnus, Marc Zobel

  • Keys

    Torsten Hirsch

  • Schlagzeug

    Moe

  • Sonstiges

    Torsten Hirsch

Sonstiges

  • Label

    Supreme Chaos Records

  • Spieldauer

    143:00

  • Erscheinungsdatum

    12.10.2018

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