Der Band aus Frankfurt an der Oder kann wahrlich keine Hektik unterstellt werden: Wurde bereits der Vorgänger "Omen" rund vier Jahre nach dem Debut-Album veröffentlicht, sind nun satte sechs Jahre ins Land gezogen, bis wir die "Schattenseiten" erkunden dürfen. Solch Schneckentempo ist mir im Zweifelsfall lieber als ein halbgarer Schnellschuss oder "business as usual", und vielleicht trug bereits diese "gemütliche" Wahrnehmung zu einer positiven Grundstimmung bei, mit welcher ich an die Scheibe heranging.
Nicht nur in dieser Hinsicht drängt sich der Vergleich mit Insignium auf, denn ähnlich wie die Hagener legen sich auch AHNENGRAB nicht zwingend auf einen Stil fest, sondern peppen ihren garstigen Metal mit allem auf, was ihnen passt und gefällt. Die besinnliche Einleitung auf der Akustikgitarre erinnert an eine Zeit, als die blinden Gardinen noch nicht pompös baden gingen, die metallische Fortsetzung des Songs ist alles andere als ungestüm, sondern wirklich einladend geraten, nimmt die Hörer mit fettem Groove und unaufdringlichen Melodien an die Hand, und führt sie auf die "Schattenseiten" - des Lebens?
Die Songtitel geben über den thematischen Fokus keinen endgültigen Aufschluss, doch vielleicht handelt es sich um eine lose Klammer, welche die abwechslungsreichen Kompositionen konzeptionell verbindet? Diese warten durchweg mit starken Aha-Momenten, sowie mit ziemlich garstigen Passagen auf. AHNENGRAB schmeißen sich insofern nicht an ihre Hörer ran, sondern verlangen ihnen ab, sich ihre Musik aktiv zu erschließen. Metal von der Stange klingt anders, die Truppe schmiedet ihren eigenen Stahl, dessen Storyteller-Charakter bemerkenswerter Weise eher von der Gitarrenfraktion verkörpert wird als vom Sänger, dessen Vortrag vergleichsweise blass bleibt. Während die eigenwillige wie melancholische Melodieführung in "K-37c" durchaus ein wenig an die unvergessenen Depressive Age erinnert, mangelt es dem Gesang an vergleichbarer Ausdruckstiefe.
Wer der Band eine Chance geben möchte, sollte sich unbedingt die Zeit für das Instrumental "Sternenmeer" nehmen, mit welchem das Album beschlossen wird, und das innerhalb von acht Minuten quasi eine kleine Werkschau ermöglicht.
Der Digipak fällt in seiner Gestaltung sehr schlicht aus. Schade, dass dem Album kein Booklet beiliegt, sondern allein das unspektakulär anmutende Cover auf den zweiten Blick zum Hingucker gereicht. Auch auf dieser Ebene schmeißen sich die Frankfurter nicht an ihre Hörer ran, sondern laden auf eigene Weise zur Auseinandersetzung ein.
FAZIT: Gilt die alte Faustregel, dass das dritte Album einer Band richtungsweisend für die Zukunft derselben ist, immer noch? Falls ja, dann werden wir wahrscheinlich noch mehr von AHNENGRAB zu hören bekommen. "Schattenseiten" hat jedenfalls mehr zu bieten, als sich beim lockeren Reinhören gleich erschließt, und trotz Headbanger-freundlicher Passagen und dem einen oder anderen schönem Gitarrensolo präsentiert sich die Band mitunter fast distanziert schroff und unnahbar.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.11.2018
Tom J.
Christoph H.
Sebastian Goldberg
Einheit Produktionen
57:58
26.10.2018