Mit seiner Band Peace und dem Album " Jazz Is Dead Since '69" hat der Kölner Gitarrist Alex Gunia, der zeitweilig in Norwegen lebte, ein für die Verschmelzung von Jazzrock und Elektronik wegweisendes Album herausgebracht, und seine Zusammenarbeiten mit Kollegen wie Jean-Paul Bourelly waren nicht minder innovativ, bevor er sich in der Szeneöffentlichkeit rar machte.
Unterdessen stand er jedoch auf kreativer Ebene beileibe nicht still, und dass er sich eingehend in die skandinavische Schule der musikalischen Improvisationk vertiefte, hört man seinem unerwartet auftauchenden neuen Album deutlich an. Vieles auf "hell 1981" lässt sich unter der landläufigen Bezeichung "Post Rock" einordnen und stellt dennoch jenen Eigensinn zur Schau, den der nunmehrigen Mittfünfziger seit je an den Tag legte.
Bereits das einleitende 'Vatherland - the best was yet to come but we gave it all away' steigert sich mit elegischen Synth(-Gitarren?)-Linien und insgesamt verhalltem Klangcharakter zu einem Soundwall wie bei den frühen Godspeed! You Black Emperor, auf die auch der Bandwurmtitel des Stücks anzuspielen scheint. Das zuerst heavy dahinschreitende, in der zweiten Hälfte wie eine Wolkendecke aufbrechende und Licht einfallen lassende 'when we fall we fall together' glänzt durch sanghafte Leads, die allerdings stets ein wenig distanziert wirken.
Dazu passt, dass 'one thousand nine hundred and sixty four beats per minute' ähnlich wie später 'kosmischer kurier' abstrakten Ambient mit hintergründigem Kratzen und Bass-Blubbern bietet. Wenn Gunia dann andererseits wie in 'we lost faith but we still had hope' eine ganz schlichte, Loop-artige Melodie zu einem psychedelisch verträumten Trip auskleidet, der auch David Gilmour gut stünde (wobei der wiederum verzerrte Mittelteil auch jeder Stoner-Kapelle zur Ehre gereichen würde), wirkt er im Gegenteil ausgesprochen nahbar.
Ein weiterer Aspekt, der "hell 1981" auszeichnet, ist Klangdesign. Die aufreibenden Drones von 'aura', mehr noch seine scheinbar willkürlich eingestreuten Tonfetzen, machen neugierig auf die Arbeitsweise des Schöpfers beim Aufnehmen, und das gilt auch für das leicht nervöse, letztlich aber doch auf angenehme Art einlullende 'atlas'. Das
konventionellste Stück (verhältnismäßig) 'grand hotel' kommt erst zum Schluss - durchgängige, geradlinige Rhythmik der federleichten Sorte und beschwingtes Gewaber für den kühlen Cocktail in der heimischen Musiklounge.
Bleibt noch ein bisschen Berliner Schule, die 'persuit of light' stellvertritt, wobei Schlagzeuger Tobias Lessnow im Brennpunkt steht. 'asia' wirkt andererseits wieder mit Unterwasser-Drumbeat und Sounds, die ungefähr an eine Trompete mit Dämpfer oder eine verfremdete Geige denken lassen, wie reine Studiospielerei, eine Auftragsarbeit für einen Filmscore oder eine Klanginstallation zur nächsten Vernissage des neuerdings übrigens auch in Öl malenden Tausendsassas.
Erstaunlicherweise ergeben all diese Eindrücke ein rundes Gesamtbild, für das man Gunia nur beglückwünschen kann. Willkommen zurück, selbstgenügsam und individuell wie ehedem!
FAZIT: "hell 1981" demonstriert auf eindrucksvolle Weise derzeitige Möglichkeiten des Mitschneidens und Veränderns musikalischer Einfälle. Wenn ein beschlagener Mann wie Alex Gunia so etwas tut, darf man mit nichts weniger rechnen als handwerklicher wie klanglicher Spitzenqualität, die - der maßgebliche Bonus - auch emotional anspricht. <img src="http://vg01.met.vgwort.de/na/8b1b3abfdc0a41dea8f8a9acb3b1580f" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.07.2018
Hello Cosmic Recordings
55:21
29.06.2018