Bands, die auf eine fast 30 – jährige Geschichte zurückblicken können, sind meistens durch alle möglichen Höhen und Tiefen gegangen, standen kurz vor der Auflösung, waren geplagt von kommerziellen Misserfolgen und Erosionserscheinungen. Nicht so Amorphis. Die Bandgeschichte kommt zwar auch nicht ganz ohne die eine oder andere Umbesetzung aus, die Masterminds Esa Holopainen und Tomi Koivusaari schafften es aber immer wieder, Abgänge erfolgreich zu kompensieren und den Sound der Finnen über die Jahre hinweg stetig zu verfeinern.
Arabische Elemente bilden neben den immer wiederkehrenden Folkthemen die Basis des Amorphis-Sounds und verleihen dem Projekt das Prädikat „Progressiv“, um das viele Acts des Genres vergeblich buhlen, zu Recht. Die Passagen mit gutturalem Gesang haben im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen etwas zu sehr zugenommen, was einer meiner wenigen Kritikpunkte bleibt, eine Tendenz, die sich seit dem Einstieg von Tomi Joutsen beobachten lässt.
Die Melodien sind nach klassischer Amorphis-Architektur angelegt und pendeln zwischen brachialen, teilweise etwas kantigen Strophen und Passagen mit cleanem Gesang, die zuckersüß und kommerziell gehalten sind. Auf „Queen Of Time“ finden sich neben den gewohnt harten Gitarrenriffs Intermezzos, die getragen von Flöte und Saxofon, die Songstruktur kurzfristig glätten und für angenehme Abwechselung sorgen, die nicht jedem Schwermetaller unbedingt gefallen dürfte.
„Daughter Of Hate“ ist ein grandioses Epos, das alle Stärken der Finnen bündelt, angefangen vom balladesken Orgelintro über ein klassisches Folk-Gitarrenthema, Clean-Gesang in der Strophe mit Stakkato Gitarren, die in den Chorus münden, der diesmal von Growls dominiert wird. Das Saxofon-Solo mit Arabesque-Harmonien setzt ein Glanzlicht der besonderen Art, während nach dem zweiten Chorus ein Zwischenpart mit fast schon sakralem Chorgesang folgt, der von Acoustik-Gitarre und Gitarrensolo dominiert wird, um dann nach einem Part mit Sprechgesang wieder richtig laut zu werden.
„The Golden Elk“ sowie „Wrong Direction“ schalten in Sachen Härte ein paar Gänge herunter und überzeugen mit extrem eingängigen Gesangslinien, die sich sofort im Ohr festsetzen, wobei letzterer sicherlich der kommerziellste Titel des Longplayers ist, der echte Hitqualitäten besitzt und in Sphären von „Silver Bride“ vom Skyforger-Album vorstößt.
Eine handfeste Überraschungen gibt es auf „Queen Of Time“ ebenfalls, denn mit „Amongst Stars“ hat es ein Duett mit ANNEKE VAN GIERSBERGEN, bis 2007 Frontfrau von THE GATHERING, auf den Longplayer geschafft. Die Growls im Hintergrund sind die einzige Reminiszenz an die eigentlich wesentlich härtere Gangart des Albums, die mit Flötenspiel, poppigem Gesang und gezähmten Gitarren zeitweise aufgebrochen wird, ein Titel, der sich auch auf einem Album der Niederländer befinden könnte.
FAZIT: AMORPHIS bleiben mit „Queen Of Time“ in Sachen Melodic Metal einer der heißesten Exportschlager Finnlands. Grandiose Melodien wechseln mit Growl-Parts und kreieren in Verbindung mit Folkanleihen faszinierende Klangwelten, die auch nach fast 30 Jahren Bandgeschichte frisch und unverbraucht klingen, die kristallklare Produktion tut ein Übriges.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.05.2018
Olli-Pekka Laine
Tomi Joutsen, Tomi Koivusaari
Esa Holopainen, Tomi Koivusaari
Santeri Kallio
Jan Rechberger
Nuclear Blast
69:15
18.05.2018