Wenn Musiker den großen Fragen des Lebens auf den Grund gehen und sich nach einer langen Zeit der spirituellen Orientierungslosigkeit oder Gleichmut zu frommen Gesten angetan fühlen, kann das gewaltig in die Hose gehen oder zu Großartigem führen. Auf "Who Do You Love" trifft zum Glück letzteres zu.
Grammy-Gewinner Kjetil Nernes ist gerade erst aus einer Gefühlsachterbahn ausgestiegen und torkelt nun so massentauglich wie nie zuvor durch die ehemalige Kirche, die er neuerdings in der schwedischen Provinz bewohnt. Der ÅRABROT-Frontmann hat eine Krebskrankheit überstanden und geriert sich jetzt mal als schelmischer, mal weltmüde wirkender Geschichtenerzähler, wozu der Sound seines Projekts umfassend modifiziert wurde.
Gewaltige Klangwände baut er selten bis gar nicht mehr auf; die Gitarren bleiben höchstens leicht verzerrt, der Bass knarrt wie das Gebälk des Gotteshauses, und das Schlagzeug poltert dergestalt, dass man vorm geistigen Auge eine hohe Gewölbedecke sieht. Dafür wirkt „Wo Do you Love“ aber insgesamt überraschend intim. Die Songs gleichen finsteren Narrativen und sind abgesehen vom stampfende Opener ‚Maldoror‘s Love‘ in ihrer repetitiven Art sehr energisch, wodurch eingedenk der quengeligen Stimme des Schöpfers der Eindruck entsteht, die frühen Killing Joke hätten sich um Gary Numan verstärkt.
‚Sinnerman‘ lässt dann sogar die biblische Strenge von Wovenhand aufkommen, und auch in ‚Sons And Daughters‘, bei dem Ehefrau Karin Park mitsingt (weder zum ersten noch einzigen Mal im Gesamtschaffen des Projekts), ist Folk als Hauptantriebsfeder nicht von der Hand zu weisen.
FAZIT: Mehr Natur und weniger Noise – das hat dem Norweger Kjetil Nernes und seiner Entourage zweifelsohne gutgetan, ja scheinbar zwanglos zum bisherigen Gesellenstück seiner Laufbahn geführt. Wer ÅRABROT bislang für eine schwerverdauliche Krach-Kapelle gehalten hat, muss spätestens mit dieser Platte im Ohr umdenken. <img src="http://vg05.met.vgwort.de/na/8438acaf6787495cb8f0eba28220b855" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.09.2018
Pelagic / Cargo
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07.09.2018