Geiger Bartosz Dworak, der sich nicht zu schade ist, den Klang seines traditionsreichen Instruments elektronisch zu verfremden, hat bereits zahlreiche Musikpreise eingeheimst, sich mithilfe von Stipendien weitergebildet und dem europäischen Jazz über seine Heimat Polen hinaus neue Impulse verliehen, nicht zuletzt bei der Krakau-Frankfurt Jazz Unit. Auf "Reflection" schöpft er vielleicht tiefer denn je aus seinem eigenen Lebensalltag, indem er daraus gewonnene Erfahrungen Ton werden lässt.
Dieser Ton setzt sich undogmatisch aus ziemlich verschiedenen Quellen zusammen: In klassischer Combo-Besetzung mit Klavier, Bass und Schlagzeug spielen Bartosz und seine Mitmusiker ausufernde Stücke mit folkloristischen Nuancen und kontrastiv urbanem Flair, die in jedem Fall eine räumliche oder plastische Beschaffenheit haben. Gleich in 'Feel Free' fühlt man sich an Jean-Luc Pontys frühes Schaffen erinnert, allerdings ohne unangenehme Gedanken an Schulmeister- oder Fahrstuhl-Fusion.
Da Bartosz mit dem Vorsatz an dieses Projekt herantrat, aus der "brutalen Welt" zu fliehen, "die uns umgibt", versucht er das Kunststück, Schönklang ohne Seichtheit zu erzeugen, und reüssiert auf ganzer Ebene. Das Zehren vom Augenblick, also der Grundgedanke hinter "Jazz" als einer Attitüde statt "nur" musikalischen Richtung, ist dem Vierer zu jeder Minute ein dringliches Aniegen, wobei mechanische Strukturen und repetitive Motive als Gegensatz zur freien Form eingewoben werden, sodass ein nachgerade liedhafter Charakter entsteht.
Dass diese sieben Kompositionen im Rahmen einer Ausstellung von geometrisch abstrakten Gemälden des (Performance-)Künstlers Marcin Kowalik uraufgeführt wurden, sagt demjenigen, der sich noch nicht mit ihnen beschäftigt hat, viel über ihre Beschaffenheit aus.
FAZIT: Vor dem geistigen Auge entstehen beim Hören von "Reflection" kantige Malereien - ob aus der Stadt oder in freier Wildbahn "gepinselt", ist dabei unerheblich, denn das Bartosz Dworak Quartet betört, ergreift und (ganz schnöde) unterhält in jeder Situation mit anspruchsvollem und dennoch ungezwungen in Szene gesetzten Jazz. Wem die Geige bisher ein enervierendes Ärgernis in diesem Kontext gewesen ist, der darf sich von "Reflection" bekehren lassen. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/74d58c32341d4d17ad3123261dd88286" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 09.04.2018
Hevhetia
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06.04.2018