Zurück

Reviews

Bell Book & Candle: Wie wir sind

Stil: Deutscher Pop

Cover: Bell Book & Candle: Wie wir sind

Formulieren wir den Titel des aktuellen, erstmals in deutscher Sprache gesungenen Albums von BELL BOOK & CANDLE einfach mal als Frage: „Wie wir sind?“
Antwort: „Nicht besonders gut und extrem austauschbar auf dem breit beackerten Feld deutschsprachiger, schlageraffiner Radio-Popmusik!“

Jedenfalls sollte man die Hoffnung, welche vielleicht bei einem – auch in Erinnerung an „Rescue Me“ – geweckt wird, wenn er „Wie wir sind“ in den Händen hält und die Erwartung an wirklich gute deutsche Texte hat, komplett begraben.

BELL BOOK & CANDLE musizieren nun bereits seit gut 24 Jahren mehr oder weniger intensiv miteinander und hatten mit „Rescue Me“ 1997 ihren ersten und einzigen echten Hit am Start. Doch wie das so bei großen Labels ist, die dann plötzlich auf einen aufmerksam werden, auch weil sich neben der mit keiner besonderen oder gar charismatisch Stimme ausgestatten Sängerin Jana Groß in dem Trio noch zwei musikalische Herren befinden, die mit Dieter Birr und Peter Meyer sehr namhafte Väter von den PUHDYS haben, und die selber bereits zu DDR-Zeiten ihren Pop-Weg mit ROSALILI einzuschlagen versuchten. Trotzdem stellte sich der erwartete kommerzielle Erfolg nicht ein und das Trio, das sich nach einem Hitchcock-Film benannte, wurde völlig zurecht fallengelassen.

Überraschend sind die beiden Herren und ihre Sängerin nun wieder zurück – als Band mit englischem Namen und deutschen Texten. Schon das passt nicht so richtig.
Und gibt es überhaupt wen, der BELL BOOK & CANDLE vermisst hat?
Vielleicht wenn ein wenig von dem übrig geblieben wäre, was sie einmal waren, aber <a href="https://www.youtube.com/watch?v=IqdxuizeVlI" rel="nofollow">„Wie wir sind“</a> ist dann doch bestimmt nicht das, was man sich bei diesem Comeback gewünscht hat.

Noch viel weniger aber passen die gruseligen computeranimierten Rhythmen, die zwischen Schlager und Disco wohl das Tanzbein der Hörer, aber keineswegs der grauen Zellen, anheizen sollen. Wen bitteschön will man mit diesem Kram beeindrucken, gerade dann, wenn mit den beiden PUHDYS-Söhnen doch auch Musiker involviert sind, die deutlich mehr zu bieten haben, als diese plumpen, nervigen Rhythmen. Handgemachte Musik wäre eine Chance gewesen, das hier aber ist nur ein einfallsloses Rhtyhmusgestampfe mit ähnlich einfallslosen deutschen Texten.
Wo will die Band mit solcher Musik zwischen FRIDA GOLD und ANDREA BERG denn hin?
Aber klar doch – in den <a href="https://www.youtube.com/watch?v=77z0ikoVVSQ" rel="nofollow">ZDF-Fernsehgarten</a>, das hätte man schließlich gleich wissen sollen.

Nach wirklich guten Ausnahmen sucht man auf „Wer wir sind“ fast vergebens, findet aber ein paar ordentliche Momente immer dann, wenn das Gestampfe ausbleibt, wie bei „So nah“ - doch das passiert viel zu selten, sodass sogar ein <a href="https://www.youtube.com/watch?v=JqPBsSjtuPU" rel="nofollow">„Liebeslied“</a> zu billigem Gedudel verkommt und die anfänglich gut umgesetzte Idee, RIO REISER mit „Junimond“ zu covern, am Ende in schwülstigem Befindlichkeitspop untergeht.
Am schlimmsten aber ist das Liebesleid-Geschwafel sowie das obligatorische politische Statement, zu dem sich heutzutage wohl alle deutschsprachigen Radio-Bands irgendwie gezwungen fühlen, auf „Wo willst du hin?“ oder „Woran glauben wir?“ (Schon die Austauschbarkeit der Titel, ist ein beängstigendes Text-Warnsignal!), bei dem man spätestens nach solchen Zeilen wie: „Gib uns Zeit, gib uns Zeit / Nach einer ganzen aussichtslosen Weile / Geb‘ ich auf, lass dich los, richte mich auf / Und zerfall in tausend Teile“, oder: „Jeder will, braucht Liebe / Also woher kommt der Hass? / Wessen Pläne sind von Vorteil / Und wem nützt das“, den Stecker ziehen will, weil man gar nicht so viele Euros hat, wie man in das Reim-Phrasen-Sparschwein werfen müsste.

FAZIT: Leider scheitert der Versuch von BELL BOOK & CANDLE mit diesem erstmals deutschsprachigen Album „Wer wir sind“ ein Comeback anzuleiern vollkommen, was einerseits daran liegt, dass nicht einem Song diese „Rescue Me“-Mentalität innewohnt und andererseits die Hinwendung zu programmierten Pop-Rhythmen und schlagerhaften Melodien samt größtenteils belangloser Texte der völlig falsche Weg ist.

Punkte: 4/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.04.2018

Tracklist

  1. Wie wir sind
  2. Liebeslied
  3. So nah
  4. Déjá-vu
  5. Ich bin wie keine
  6. Nullpunkt
  7. So wie du bist
  8. Woran glauben wir?
  9. Sieben Seen
  10. Wartesaal
  11. Wo willst du hin?
  12. Durch die Jahre
  13. Junimond

Besetzung

  • Bass

    Hendrik Röder

  • Gesang

    Jana Gross

  • Gitarre

    Andreas Birr, Simon Kempner, Thorsten Brötzmann, Constantin Krieg, Holger Jagsch

  • Keys

    Thorsten Brötzmann, Roman Lüth

  • Schlagzeug

    Cani Nickels, Tom Gross, Ingo Politz

Sonstiges

  • Label

    IP Music/Airforce1 Records/Universal Music

  • Spieldauer

    46:45

  • Erscheinungsdatum

    06.04.2018

© Musikreviews.de