Ben Harper mag Kollaborationen. Sein Debüt mit Bluesharp-Meister Charlie Musselwhite sackte 2013 einen "Best Blues Album"-Grammy ein, ("Get Up!"), daraufhin folgte ein rührendes Gemeinschaftswerk mit seiner Mutter Ellen, auf dem er kindliche Nostalgie verbreitete, und nun legt er in der vorangegangenen Konstellation nach. Das Projekt wirkt spätestens jetzt nicht mehr so, als ob sich zwei bekannte Namen zusammengefunden hätten, die sich gegenseitig abwechselnd den Vortritt lassen; stattdessen steht das Duo wirklich als Einheit da, in der die Eigenschaften beider Komponenten verschmelzen.
Die beiden Grandseigneurs haben sich bei zahlreichen Konzerten aufeinander eingependelt und wussten im Vorfeld von "No Mercy In This Land" vermutlich genau, was sie wollten, wobei es lediglich galt, den schmalen Grat zwischen Stiltreue und durchschaubarem Kalkül zu beschreiten, das man ihnen hätte zu Lasten legen können. Die neue Musik der zwei ist aber über jeden Zweifel erhaben und mutet kompositorisch irgendwie "runder" an, auch wenn man ins Schwitzen gerät, wenn man dies konkret an irgendwelchen Faktoren festmachen soll.
Fest steht in jedem Fall: Die Mischung aus hörbar von Harper komponierten Stücken mit Rock-Kante dank schmatzener E-Gitarre und Musselwhites Mundharmonika "on top" führte zu spielerisch wie emotional ansprechenden Tracks, die von der Erfahrung zweier Generationen von Musikern leben. Harpers Texte rangieren von finsterem Voodoo (das eröffnende 'When I Go') bis zu den Beziehungskisten 'When Love Is Not Enough' und 'Love And Trust'. Das Titelstück ist hingegen ein autobiografischer Offenbarungseid seitens Musselwhite und neben 'The Bottle Wins Again', das er dem Dämon Alkohol gewidmet hat, der Gänsehautmoment des Albums.
Die Virtuosität, die beide an den Tag legen, überschattet die inhaltliche Substanz zu keiner Zeit, aber sie würde ohnehin verpuffen, wenn sie nicht in kunstvolle Arrangements eingebettet wäre. Dies ist der Fall; die Stücke fußen einerseits fest auf der Tradition von urbanem Blues und R'n'B (die Stones wären stolz, heute noch solche Nummern schreiben zu können), locken aber, wie man bereits beim Erstling gesehen hat, auch jüngere Hörer hinterm Spotify-Rechner hervor. Eine Zusatzleistung der beiden Schöpfer sozusagen.
FAZIT: Ben Harper und Charlie Musselwhite dürften mit "No Mercy In This Land" einen weiteren Garanten auf Erfolg veröffentlicht haben. Blindes Verständnis führte zu einem Generationenclash der erfreulichen Sorte, bei dem städtischer Blues, Gospel und Rock-Düsternis perfekt mit Lebensweisheit einer- und Lebenshunger andererseits harmonieren. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/52202583d11f4084b0a1a636024fbebb" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.05.2018
Anti / Epitaph
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30.03.2018