Fortschritt durch Reduktion: Auf seinem achten Studioalbum geht Ben Reel im Verhältnis zu seinem 2015er Longplayer "7th" einen Schritt zurück und setzt wieder konsequenter auf rein akustische Klänge. Produziert hat der Ire seine Musik abermals selbst, als wisse nur er, wie sie klingen muss.
Warme Orgelsounds, dumpfe Bässen und einstweiliger Mundharmonika-Einsatz ('fields of dreams') prägen "Land Of Escape" maßgeblich, doch Reel lässt sich nach all den Jahren im Business zwischen Rock und Folk bzw. US-Country nicht auf eine einzelne Richtung festlegen. Jazz, den er bereits durch seine Kollaboration mit Saxofonist Gilad Atzmon bewiesen hat, findet auf diessem Album allerdings in keinem Moment statt, wohl aber wieder die eine oder andere Kollaboration mit anderen Musikern, allen voran das Duett 'Misty morning rain' mit Nashville-Größe Irene Kelley
Dem hypnotischen Einstieg 'Landscapes' steht das "rockigste" Stück 'Drifting' gegenüber, und der Schöpfer intoniert den Höhepunkt 'Fish out of water' fast so melodramatisch wie Bob Catley die intensivsten Magnum-Tracks, deren Musik, wäre sie weniger Hardrock-lastig, gar keinen so weiten Weg bis zu Reels Schaffen zurückzulegen hätte. Als gebranntes Kind der "Troubles" in Nordirland schwingt in seinen Songs jedoch immer etwas Unheiles, Gebrochenes mit; in ihrer wehmütigen Art sind die Kompositionen sozusagen Balsam auf die Seelen der Generation U2, wenngleich Reel auch hörbar durch die Schulen von Bruce Springsteen und Neil Young gegangen ist.
Um aber noch einmal auf den Opener zurückzukommen und eine Gedankenkette zum Titel des Albums zu knüpfen: Dessen Leitmotiv scheint Geografie im Sinne einer seelischen Standortbestimmung zu sein: Der Platz in der materiellen Welt wirkt bei Ben Reel identitätsstiftend wie heilsam, wenn er ihn zum Zweck einer Weltflucht anstrebt. Was Wunder also, dass "Land Of Escape" in seiner Gesamtheit wie ein transatlantischer Zwitter anmutet?
FAZIT: Americana oder Irish Folk? Fest steht, dass niemand die Gratwanderung zwischen beiden musikalischen und kulturellen Polen so versiert wie emotional schaft wie Ben Reel. "Land Of Escape" ist wie in gedämpften Farben gemaltes Bild, das den in sich Zerrissenen mit dem eigenen Ich zu versöhnen scheint. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/6a6a57924cb04366bce1ea615d693046" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.03.2018
Tap Water / Alive
48:30
30.03.2018