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Bernd-Michael Land: Meeresgrund

Stil: Elektronische Musik

Cover: Bernd-Michael Land: Meeresgrund

Es ist mal wieder an der Zeit für die deutsche elektronische Musik eine Lanze zu brechen, die sich nicht nur auf deren Vorzeige-Vertreter TANGERINE DREAM, MANUEL GÖTTSCHING (ASHRA) und KLAUS SCHULZE beschränkt, sondern auch andere, ähnlich hochwertige Musiker aufweist, egal ob die nun KELLERKIND BERLIN, HAGEN VON BERGEN, ALFRED MÜLLER oder eben BERND-MICHAEL LAND heißen.

Alle genannten Musiker zeichnet aus, dass sie das Erbe ihrer Vorbilder, das bereits in den frühen 70er-Jahren innerhalb der Krautrock-Szene entstand, ehrwürdig und professionell fortsetzen, wobei natürlich zum Vergleich immer wieder die deutschen Elektronik-Pioniere herangezogen werden.
Das gilt auch für das 2016er-Album „Meeresgrund“ von BERND-MICHAEL LAND, der bereits in der Wahl seiner oftmals naturbezogenen Album-Titel noch vor dem Hören empathische Gefühle weckt. Gefühle also, die aus welchem Grunde auch immer, von irgendwelchen (Be)Vorurteil(ern) der elektronischen Musik abgesprochen werden, weil die angeblich kalt seien. Na ja, kalt ist diesbezüglich etwas Anderes, aber garantiert nicht die elektronisch Musik der benannten Musiker.

Bei „Meeresgrund“ kann einem natürlich im ersten Moment Kälte in den Sinn kommen, denn die herrscht bekanntlich auf dem Meeresgrund. Oder es kommt einem die unergründliche, unerforschte Tiefe der Weltmeere in den Sinn. Einem Taucher, wie dem Kritiker dieser Review, kommen natürlich sofort die unendliche Schönheit und Stille der Tiefe in den Sinn, die Tausende von Geheimnissen offenbart, wenn man in sie hinabtaucht und seine Taschenlampe anschaltet und aus dem Grau unterm Lichtkegel die schönsten, so noch nie gesehenen Farben auftauchen. Kindern fällt wahrscheinlich bei „Meeresgrund“ Arielle die Meerjungfrau oder Nemo ein. Schon hier beginnt das Hirn sich seine eigenen Bilder, seine eigenen Klänge auszumalen.

Doch eins haben wir bei all diesen Sinneseindrücken vergessen – nämlich die schreckliche Seite, die sich hinter „Meeresgrund“ verbirgt. Eine schreckliche Seite, für welche ausschließlich der Mensch die Verantwortung trägt und die sich auf die Zerstörung des Meeres durch unseren billionenfach verursachten Plastikmüll bezieht. Genau hier setzt BERND-MICHAEL LAND seine sich deutlich an KLAUS SCHULZE und TANGERINE DREAM orientierende und bei dieser Thematik zurecht getragene und etwas bedrückend wirkende, aber auch sehr harmonische elektronische Musik an, welche die zunehmende massive Zerstörung der Ozeane durch Kunststoffabfälle thematisiert.

Dabei greift Land ausschließlich auf Synthesizer, Drone-Boxen, Sampler und Effektgeräte, aber keine (!!!) Computer zurück. Ein ganz besonderes Instrument ist hierbei das <a href="http://www.hakenaudio.com/Continuum/" rel="nofollow">Haken Continuum Fingerboard</a>, welches über mehrere Achsen sehr druckempfindlich reagiert, wodurch ein dreidimensionaler Höreindruck entsteht, was man besonders gut auch auf dem bedrohlich wirkenden <a href="https://www.youtube.com/watch?v=sdUw9HaEezQ" rel="nofollow">„Iapetus“</a> (übrigens benannt nach einem Ozean im Erdaltertum) zu hören bekommt.

Eine Besonderheit auf dem Album ist <a href="https://www.youtube.com/watch?v=R65lDtOxDsE" rel="nofollow">„Underwater Light“</a>, da es Erinnerungen an die hintergründig-bedrohlicheren Klangräume von JEAN MICHEL JARREs „Oxygene“ weckt. Ein Album, das sich genauso wie „Meeresgrund“ auf rein instrumental-elektronischer Ebene mit der Umweltzerstörung auseinandersetzt.

Selbstverständlich spielen auch jede Menge Naturgeräusche, wie Wasserrauschen (<a href="https://www.youtube.com/watch?v=hs49neg0Mno" rel="nofollow">„Deeper“</a>) oder Delphin-Gesänge, eine bedeutende Rolle auf „Meeresgrund“, doch das wohl ungewöhnlichste, reale Geräusch sind nicht die schönen Naturklänge, sondern die schrecklichen plastischen Klänge: „Es war mir von Anfang an sehr wichtig, auch das Material ‚Plastik‘ akustisch in diese Arbeit mit einzubeziehen. So wurde bereits Ende April 2015 damit begonnen, Öldosen und Plastiktüten mittels Kunstkopf-Microphonie aufzunehmen. Die somit erstellten Klänge wurden dann mit verschiedenen Effekten bearbeitet und verfremdet, um sie danach in die Musik einfließen zu lassen.“

Klangtechnisch und von seiner Gestaltung her ist „Meeresgrund“ – wie bei BERND-MICHAEL LAND, dem Sondtüftler-Experten, gewohnt – erneut großartig ausgefallen. Egal, ob unter Kopfhörern oder zwischen hochwertigen Stereo-Boxen: die Klangwelten und Stereo-Effekte sind ein echter Hochgenuss, genauso wie die Höhen und Bässe. Dazu befindet sich in dem dreifaltigen Digipak noch ein 16seitiges Booklet, in dem in deutscher Sprache <a href="http://bernd-michael-land.com/wp-content/uploads/2016/05/Konzept-Meeresgrund-deutsch-neu.pdf" rel="nofollow">jede Menge Infos</a> zum Musiker, seinem Album und natürlich die Verschmutzung der Ozeane mit Plastikmüll plus viele beeindruckende Bilder zu lesen und betrachten sind.

FAZIT: Tauchen wir gemeinsam mit BERND-MICHAEL LAND und seinen elektronischen Klangzaubereien bis tief auf den „Meeresgrund“ dieses beeindruckenden Albums im Berliner-Schule-Stil und geben uns nicht nur den Schönheiten, die dort zu entdecken sind, hin, sondern ganz besonders auch der unerträglichen Verschmutzung aller sieben Weltmeere durch Plastikmüll. Elektronische, rein instrumentale Musik zum Genießen, aber auch traurigem Nachdenken über die Gedanken- und Verantwortungslosigkeit des Menschen im Umgang mit seiner Lebensgrundlage – der Natur.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 15.02.2018

Tracklist

  1. Hydrosphere
  2. Indian Ocean
  3. Deeper
  4. Mirovia
  5. Tethys
  6. Panthalassa
  7. Rodinia
  8. Underwater Light
  9. Iapetus
  10. Antarctica
  11. Paratethys

Besetzung

  • Keys

    Bernd-Michael Land

Sonstiges

  • Label

    Eigenveröffentlichung

  • Spieldauer

    73:29

  • Erscheinungsdatum

    15.02.2016

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