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Reviews

Bernhoft & The Fashion Bruises: Humanoid

Stil: Pop, Soul, Americana

Cover: Bernhoft & The Fashion Bruises: Humanoid

Musik muss Seele haben.
Musik muss Gefühl ansprechen.
Musik muss bewegen.
Musik zeigt uns, ob wir beim Hören noch fühlen, dass wir der Spezies Mensch angehören, noch keine „Humanoiden“ geworden sind, die fremd gesteuert und kalt ihr Dasein in einem technischen Universum fristen.
Musik ist der Schlüssel zu unseren Herzen, wenn diese noch nicht versteinert sind.
„Humanoid“ von BERNHOFT & THE FASHION BRUISES zielt direkt auf diese in Gefahr geratenen Herzen, mit einem Notenschlüssel in der Hand voller Soul und Melodien, die man nicht vergisst, weil sie auch Erinnerungen wecken – an einen BRUCE HORNSBY, einen STEVIE WONDER oder PRINCE und sogar an das ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA –, aber auch vor Experimentellerem, wie in „Beliefs“, nicht zurückschrecken.
„Humanoid“ zeigt ohne sich als moralapostelnder Besserwisser aufzuspielen, dass wir uns auf dem falschen Weg befinden, wenn wir nur noch auf unsere Smartphones starren, mit Dronen unseren Blickwinkel auf die Welt verfremden und Ziele haben, denen alles Menschliche abhanden gekommen ist: „Here we are: / Tied to progress / We‘re strange kinda humanoids.“

Der norwegische Singer/Songwriter Jarle BERNHOFT (ehemals Mitglied der Rock‘N‘Roll-Band SPAN) hat ein großartiges Gespür für Melodien, die sich mal im Soul, dann wieder im Pop der 80er-Jahre, aber auch komplexeren Klängen verwirklichen, um die sehr lyrischen und zugleich kritischen Texte zu vertonen, die einen scharfzüngigen Blick auf unsere Moderne werfen, indem sie ohne erhobenen Zeigefinger darauf verweisen, was uns noch bevorsteht, wenn wir weiterhin der Technik mehr Aufmerksamkeit widmen, als allem Natürlichen und Zwischenmenschlichen.
Das gilt nicht nur für den Umgang miteinander, sondern auch für einen Großteil der Musik, mit der man uns heutzutage überall beschallt, damit wir auch über unsere Ohren mit Hilfe von programmierten Rhythmen ordentlich verblöden können. So entstand wohl auch bei BERNHOFT die Idee hinter „Humanoids“: „Die gegenwärtige Musik ist in großem Maße von der Arbeit mit Computern und Maschinen geprägt. Ich hatte das Gefühl, die entgegengesetzte Richtung einschlagen und wieder mehr handgemachte Musik spielen zu müssen. Es ist mir wichtig, in Verbindung mit dem wahren und echten Leben zu bleiben, und so bin ich in diese organischen Soundsphären eingetaucht. Das hat mir geholfen, diesen menschlichen Touch in der Musik wiederzuentdecken. Mit Gitarre, Schlagzeug und Bass will ich nun versuchen, die Leute von ihren Facebook-Newfeeds wegzulocken und wieder für das echte Leben zu begeistern.“

Diese Absicht sollte BERNHOFT & THE FASHION BRUISES mit „Humanoids“ gelingen. Vorausgesetzt natürlich, sie erreichen auch genug Facebook-Junkies mit dieser wunderschön gestalteten Gatefold-LP, die einer Collage ähnlich aus matter Kartonage grundiert ist, worauf sich lauter Hochglanz-Schnipsel befinden. Fast schon selbstverständlich ist dabei, dass im Inneren der LP eine farbige Innenhülle mit allen Lyrics steckt, da BERNHOFT seine Musik als Symbiose von Musik und Texten versteht.

Extra für „Humanoid“ schloss er sich dafür mit THE FASHION BRUISES zusammen und besann sich der seligen alten Musik-Zeiten, indem zuerst in einem Proberaum experimentiert und sortiert, gespielt und gelacht, gestritten und komponiert wurde, bis die Chemie zwischen Band und Bernhoft rundum stimmte. Dann erst ging‘s ins Studio und an dem gelungenen Ergebnis auf „Humanoid“ hört man, was alles musikalisch möglich ist, wenn sich Musiker achten und gegenseitig antreiben: „Wir haben keine Computer benutzt, sondern alles per Hand komponiert und eingespielt. THE FASHION BRUISES sind ein zentraler Bestandteil des Album-Sounds. Das grundlegende Ziel bestand darin, dieses Album wie eine Live-Performance zu handhaben.“

So nimmt einen bereits der zweite Song des Albums, <a href="https://www.youtube.com/watch?v=xPDkhW9iUPM" rel="nofollow">„California“</a>, mit seinem Americana-Westcoast-Sound sofort gefangen und mit auf die Reise zu fremden Horizonten: „There is an era, where the war‘s just over / And muddy waters‘ turned to wine.“

Zuvor aber lässt der Titelsong, der das Album eröffnet, trotz einem recht beschwingten Rhythmus, den Hörer recht nachdenklich zurück, da er von dem Mensch-Maschine-Problem, das uns immer mehr entfremdet, handelt: „Ich bin auf der Suche nach menschlichen Kontakten, doch hinter dieser Wand aus Mobilgeräten kann ich die Personen kaum noch sehen.“

Die kritischen Themen der Texte auf „Humanoid“ stehen manchmal etwas im Widerspruch zu den starken Melodien und den schwungvollen Rhythmen der Musik, die eher eine optimistische Stimmung verbreiten, während die Texte den Finger tief in die Wunden der Gegenwart legen.

Besonders eindrucksvoll fallen dabei auch die beiden Duette „Love Brings Us Further Apart“ mit ALICE RAUCOULES und <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=VfLVjcjjYcE" rel="nofollow">„Buried Gold“</a> mit RAELEE NIKOLE aus, in denen sich die weiblichen Stimmen hervorragend mit Bernhofts warmer, souliger Stimme ergänzen.
Gerade „Buried Gold“ greift das alltägliche Dilemma, welches uns von den politischen Machthabern in ihrer Arroganz gemäß ihrer „Friß oder stirb“-Philosophie vor die Füße gefeuert wird, mit optimistisch-beschwingten, im Grunde nicht wirklich zur Thematik passenden, Klängen auf: „In diesem Song schwanke ich ständig zwischen hoffnungsvoller Träumerei und kompletter Desillusion. Ich weiß noch, wie es war, als die Ergebnisse des Brexit-Referendums reinkamen. Kurz darauf dann der nächste Hammer: die Präsidentschaftswahlen in den USA. Es fühlte sich an, als würde die Welt aus den Fugen geraten.“

So lange eine Welt, die aus den Fugen gerät, noch so schön wie bei BERNHOFT & THE FASHION BRUISES klingt, besteht zumindest aus musikalischer Sicht noch große Hoffnung.
Ein optimistisch klangvolles Album mit nachdenklich-kritischen Texten. Selbst die fremdgesteuerten Humanoiden sollten daran großen Gefallen finden, wenn sie mal die Pieptöne ihrer Mobil-Geräte nicht als das einzige Klang-Universum ihres jämmerlichen Erdendaseins ansehen.

FAZIT: Der norwegische Liedermacher BERNHOFT, der den puren Soul auf der Zunge trägt und in den letzten Jahren verstärkt auf Loops und elektronisches Instrumentarium zurückgriff, überrascht mit diesem „naturgewaltigen“, auf alles Elektronische verzichtende Album, das er nach klassischer Art mit THE FASHON BRUISES erst im Proberaum einstudierte und dann im Osloer Klang-Studio einspielte. „Humanoids“ übt voller Soul und Pop und Americana sowie bissigen Texten scharfe Kritik an der Entfremdung der Menschen, die sich mehr der Technik als ihrem Gegenüber zuwenden.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 30.08.2018

Tracklist

  1. <b>Seite A</b> (24:02):
  2. Humanoid (4:32)
  3. California (3:49)
  4. Buried Gold (feat. Raelee Nikole) (5:04)
  5. Lookalike (3:47)
  6. Beliefs (6:49)
  7. <b>Seite B</b> (21:50):
  8. For The Benefit (4:34)
  9. Medication (5:10)
  10. Dreamweaver (3:54)
  11. Love Brings Us Further Apart (feat. Alice Raucoules) (3:58)
  12. Don‘t Give Up (4:14)

Besetzung

  • Bass

    Vemund Stavnes

  • Gesang

    Bernhoft, Vemund Stavnes, Nicolay Tangen Svennaes, Alice Raucoules, Raelee Nikole

  • Gitarre

    Bernhoft

  • Keys

    Nicolay Tangen Svennaes

  • Schlagzeug

    Frederik Wallumrod, Bernhoft

Sonstiges

  • Label

    Embassy Of Music

  • Spieldauer

    45:52

  • Erscheinungsdatum

    24.08.2018

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