Keine Frage, trotz der vielen Live-Veröffentlichungen mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten, die es bereits von Beth Hart gibt, fehlte dem US-amerikanischen Blues-Star bislang ein in der legendären Londoner Royal Albert Hall mitgeschnittener Auftritt Dieses Manko hat die Sängerin und Songwriterin jetzt ausgemerzt, wobei natürlich keinerlei Kompromisse eingegangen wurden, um zu klotzen, statt zu kleckern.
Die Aussicht mag einschüchtern, vor einem bestuhlten Saal aufzutreten, aber Hart zieht vom Start weg alle Sympathien auf ihrer Seite, indem sie 'As Long As I Have A Song' während eines Rundgangs zwischen den Zuschauern intoniert - wohlgemerkt "nackt" mit praktisch null instrumentaler Begleitung. Die Grammy-nominierte Dame, die sich im Lauf der Jahre von einer klassischen Rock-Sau zur abstinenten Diva gewandelt hat ist immer noch mit einer Stimme gesegnet, die durch Mark und Bein gehen kann, aber eben nicht muss.
Dementsprechend facettenreich gestaltet sich auch die Auswahl der Songs, die sie hier an einem Maiabend zum Besten gibt. Harts Wurzeln mögen im Blues und Soul liegen, doch auf ihren Studiowerken in jüngerer Zeit hat sich einiges an generischem Pop und Rock eingeschlichen, dem natürlich ebenfalls Rechnung getragen wird. So bunt durchmischt wie in dieser Setlist wirkt unter den Stücken kein einziges wie ein Fremdkörper, und als wäre das Konzert nicht auch so bereits aufregend genug - immerhin bewährt sich Beth einmal mehr als Multi-Instrumentalistin, die vorwiegend zwischen Klavier und Gitarre wechselt -, garantiert die Anordnung der Lieder eine perfekte Dramatik.
Dazu braucht man sich nur die aufeinanderfolgenden Paukenschläge 'Baddest Blues' und 'Sister Heroine' vor Augen zu führen oder bewusst zu machen, dass die ergreifenden Nummern 'Mama This One’s For You' und 'Love Is A Lie' gegen Ende kommen. Durch Harts intensiven Austausch mit dem Publikum erhält das Event einen ausgesprochen persönlichen Charakter; sie hat hierfür in langer Detailarbeit ein Programm einstudiert, dass ein Vierteljahrhundert abdeckt. Ja, so lange ist die Künstlerin bereits im Geschäft, doch man meint, es sei erst gestern gewesen, als sie sich zu Led Zeppelins 'Whole Lotta Love' lasziv auf einer Club-Bühne rekelte. Jene Zeiten sind längst vorbei … "for better or worse", wie es so treffend heißt.
FAZIT: Das erste Solo-Live-Album von Beth Hart seit 13 Jahren ist mit allen Schikanen ausgestattet, die man von einem solchen Release erwartet. Wie bei Mascot gewohnt, kann sich auch die visuelle Komponente sehen lassen und macht ein Produktionsbudget in Major-Label-Dimensionen vorstellbar. Im Rahmen der haarsträubend eindringlichen Performance sei im Übrigen auch Gitarrist Jon Nichols hervorgehoben, der statt des omnipräsenten Joe Bonamassa mal ein erfrischend anderes Gesicht an Beths Seite darstellt. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/44a7920c866d4b9983a007b71b88fc2f" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.12.2018
Mascot / Rough Trade
80:35
07.12.2018