Auch in der zweiten Runde gelingt es CARPE NOCTEM nicht, sich endgültig von der Black Metal-Szene ihrer Heimat zu emanzipieren. Die Isländer sind zwar seit über einem Jahrzehnt aktiv, leiden aber spürbar darunter, dass ihre Mitglieder die Band nicht priorisieren, sondern sich, wie es ihnen gerade in den Kram zu passen scheint, gleichsam bei u.a. Misþyrming und Naðra einbringen. Handelt es sich also bloß um einen Nebenschauplatz, auf dem sich chronische Workaholics austoben?
„Vitrun“ fügt dem Statement, das die Band vor fünf Jahren mit „In Terra Profugus“ wenig bis gar nichts hinzu, sondern scheint nur zu bestätigen, dass sich die nationale Lesart des Genres durch manisch chaotisches Tempo und einen ungeheuer rohen Sound auszeichnet. Da die Songs wie Momentaufnahmen wirken, fehlt ihnen ein verbindliches Moment, weshalb sie von vornherein als allgemeingültige Zeugnisse des Stils (kurz gesagt: potenzielle zukünftige Klassiker) ausscheiden.
Ganz einfach ausgedrückt erschließt sich die Daseinsberechtigung dieses Projekts im Verhältnis zu den anderen Aktivitäten der Musiker nicht so recht; wer schwarzes Metall aus dem illustren Land der Thermalquellen generell schätzt und gern verwaschene Akkorde zergliedert, dem werden die erwartbar weitschweifigen Tracks der Platte ohne Abstriche gefallen, doch nüchtern betrachtet bietet sie lediglich mehr vom selben Alten. Ein Glück, dass das Land verhältnismäßig wenige Einwohner bzw. Musiker hat …
FAZIT: "Icelandic Black Metal" scheint mittlerweile wirklich ein trendiges Bonmot zu sein, bei dem man als aufmerksamer Verfolger des Szene-Undergrounds die Augen verdreht, während breitere Hörerkreise erst jetzt auf die spannenden Bands aus Gammelhaifleisch-Country anspringen. CARPE NOCTEM gehören neben beispielsweise auch Auðn zu den eher gewöhnlichen Vertretern ihrer Zunft und gießen mit ihrem zweiten Album lediglich Wasser auf die Mühlen derer, die bereits das Ende des Mini-Trends wittern … zu Recht vermutlich. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/7e27425b00f14a01bdfee29e27df91f7" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.10.2018
Code666
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05.10.2018