Auch "Enemy Within" wird 2018 nicht zum ersten Mal vom Reissue-Label Repertoire neu aufgelegt, doch unabhängig davon ist Chris Speddings "New York"-Album (der Gitarrist und Sänger lebte Mitte der 1980er dort, als es entstand) auch heute noch mehr als nur einen Hör wert … und vielleicht auch eine Neubewertung.
Als Verkaufsargumente halten wie bereits 2001 ein letzten Endes unerhebliches Remastering sowie zwei Bonustracks her, dieselben wie damals. Chris Welch hat wie üblich ausführliche Liner Notes zu den Umständen der Entstehung der Songs verfasst, mit denen Spedding seinerzeit unverblümter denn je in Gefilden wilderte, wo man üblicherweise Leute wie Mark Knopfler verortete - am Rand des Pop-Rock-Mainstream, wenn auch mit gehobenen Ansprüchen an seine Performance und Arrangements, die Stilmittel aus unterschiedlichen Genres miteinbezogen.
Diese reichen von uraltem Rockabilly bis zu dem "middle of the road"-Kram, der 1986 im amerikanischen Radio lief, doch Spedding wäre nicht er selbst, gewesen, hätte er die Soße nicht mit gediegener Schärfe abgeschmeckt. 'Signs of Love', 'Enemy Within' und 'Hi-Heel Shoes' gewinnen trotz ihrer geradlinigen Poppigkeit dank seines charismatischen Organs (ungefähr wie Knopfler nach einer durchzechten Nacht) an Charakter, zumal sie so oder so verboten eingängig sind, und die Trio-Besetzung gemeinsam mit Schlagzeug-Dynamo Anton Fig (heute Joe Bonamassa) sowie Bassist Carter Cathcart, der auch Keyboard spielt, erweist sich als großer Coup.
Gemeinsam gestalten die Musiker Speddings Kompositionen ebenso kompakt wie klanglich nuanciert, wobei sich Cathcart als findiger Arrangeur hervortut. Trotz dominanter Halleffekte, die in jenen Tagen dem Studio-Zeitgeist enstprachen, klingt "Enemy Within" noch relativ zeitlos. Die Songs an sich machen eben eine Menge aus, auch weil sich der Künstler seltener zu euphorischen Nummern wie seinem Signaturstück 'Motorbikin'' hinreißen lässt und manchmal sonderbar in sich gekehrt, fast verdrießlich wirkt.
Im Verhältnis zum Gros von Speddings Schaffens bildet die Musik, die er Mitte der 1980er machte, eine eher zurückhaltende, aber nicht minder reizvolle Ausnahme. 'Go West' und das Titelstück zählen trotzdem zu seinen stärksten Momenten überhaupt, wohingegen die beiden Coverversionen - das zigfach durchgekaute 'Shakin' All Over' (Johnny Kidd & the Pirates) und Ronnie Hawkins' genauso abgedroschenes 'Mary Lou' - nicht entbehrlicher sein könnten.
FAZIT: "Enemy Within" zeigt einen Showman am Scheideweg zwischen jugendlichem Elan und jener kontemplativen Stimmung, die das Alter oft mit sich bringt. Wegen seiner für Spedding ungewöhnlich kompromissbereiten Art gehört das Album vielleicht nicht ganz zu Unrecht zu seinen gern übersehenen Werken. Nichtsdestoweniger sind die Songs besser als ihr Ruf und von zeitloser Zugänglichkeit.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.12.2018
Repertoire
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21.09.2018