„Wirst du für mich dasein mit deiner Tiger-Seele, wenn ich all meine Hoffnung verliere?“
Selten sind zwei (im Original natürlich englische) Zeilen eines Liedes dermaßen aussagekräftig und exemplarisch, um die gesamte bedrückende, sehr melancholische, fast depressive Atmosphäre eines Albums zu beschreiben. So steht <a href="https://www.youtube.com/watch?v=IX_RuP234yM" rel="nofollow">„Tiger Song“</a> exemplarisch für „The Very Start“, das aktuelle Album der Schweizerin EMILIE ZOÉ.
Oder, um es noch stärker mit „A Fish In A Net“ auf die Spitze zu treiben: „Wenn ich fühle, dass du mir nahe kommst, drehe ich die Stereo-Anlage auf und spiele den traurigsten Song, den ich finden kann, bis die Nachbarn unsere Tür eintreten.“
Den „Saddest Song“ findet EMILIE ZOÉ im Grunde auf jedem einzelnen Stück ihres „The Very Start“-Albums und sei damit natürlich niemandem ans Herz gelegt, der sich gerade in einer depressiven Phase befindet, gar mit den abwegigen Gedanken trägt, vorzeitig das Zeitliche zu segnen, indem er Hand an sich legt, weil er <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=3&v=ZvqFBMbz_YY" rel="nofollow">„Nothing Stands“</a>, denn auch Emilie ist „A part of the silence on this land“, was wir hinter dem eigentlich so süßlich anmutenden Titel <a href="https://www.youtube.com/watch?time_continue=106&v=wIoCZSnorfg" rel="nofollow">„Blackberries“</a> erfahren, um dann mit „Loner“ in todtraurige Einsamkeit überzugehen, damit wir mit der schweizerischen Künstlerin, die nicht nur musiziert und singt, sondern auch malt und in vielen weiteren Projekten aktiv ist, die Flucht vor uns selbst antreten können.
Auf „The Very Start“ erleben und durchleiden wir Musik, die einem in ihrer komplett finsteren Intimität und mit den bedrückenden Texten immer wieder einen Schauer über den Rücken jagt und in eine Tiefe zieht, in der sich die dunklen Gedanken unserer Seele vergraben haben. EMILIE ZOÉ und der sie begleitende Schlagzeuger NICOLA PITTET fördern mit klassischem Piano, Keyboards, akustischen und E-Gitarren, tiefen Bässen sowie voluminösen Schlagzeug-Attitüden oder zarten Percussion und natürlich den, manchmal an NICO erinnernden, fragilen Gesang, der oft wie eine Kombination aus Erzählerin und Sängerin klingt, diese finsteren Gedanken ans klingende Tageslicht ihres Albums und verfinstern es so mit einem riesigen musikalischen Schatten, der je nach Stimmung einerseits begeistern, aber andererseits auch ziemlich runterziehen kann.
Definitiv kein Album für Miesepeter, sondern eins für Freunde der dunklen Klänge und ein textliches Konzept, welches dazu passend seine ganz eigene Geschichte erzählt, bei der Emilie sinnbildlich und textlich betend an einem Grab steht, damit der durch ihr Gebet Bedachte sieht, wie alle toten Vögel davonfliegen („Dead Birds Fly“), bis sie in „The Barren Land“ in einem musikalischen Stahlgewitter landen, das völlig überraschend an die EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN erinnert und uns am Ende des Albums auf „Sailor“ mit einem gedoppelten E-Gitarren-Spektakel, welches sich bedrohlich zwischen den beiden Boxen hin- und herschlängelt, entlässt.
FAZIT: Wenn man den Soundtrack für die melodramatische, extrem erschütternde Sterbeszene in Shakespeares „Romeo und Julia“ sucht, dann hat man sie mit „The Very Start“ von EMILIE ZOÉ gefunden: „Fragments of heart is a bloody mess here!“
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.11.2018
Emilie Zoé
Emilie Zoé
Nicolas Pittet, Emilie Zoé, Christian Garcia
Nicolas Pittet
Hummus/Membran & The Orchard
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09.11.2018