Zeitlos - dieses Adjektiv verwendet man rasch vorschnell (auch auf dieser Seite), doch die Beschaffenheit der Musik weniger Bands lässt sich damit so gut auf den Punkt bringen wie die von FIFTH ANGEL. Dieses selbst betiteltes Debüt der Amerikaner erschien 1986 und hätte im Grunde genommen der Beginn einer kometenhaften Erfolgskarriere sein sollen, doch u.a. aufgrund ihrer instabilen Besetzung war der Gruppe dieses Glück nicht beschieden. Geblieben ist mit diesem Masterpiece und seinem drei Jahre später erschienenen Nachfolger ein Melodic-Metal-Klassiker aus der zweiten Bekanntheitsreihe, der in jede besser sortierte Genre-Sammlung gehört.
"Fifth Angel" erscheint nun bei Metal Blade neu als Digipak oder 180g schwere LP in Schwarz, marmoriertem Grau oder aus orange-rotem Splatter-Vinyl, was einen Nichtkauf trotz Wissenslücken fortan unentschuldbar macht. Ähnlich den ebenfalls weitgehend vergessenen Explorer ("Symphonies Of Steel") oder Queensryche, um eine kommerziell erfolgreiche Gruppe zu nennen, fertigten FIFTH ANGEL auf ihrem Einstand unapologetisch harten Stahl mit Samtborten - glatt, manchmal nachgerade AOR-mäßig und dennoch nie schmalzig. Der höchsten Ansprüchen genügende Sound bringt das Songwriting für Arenen, die der Gruppe Zeit ihres Bestehens dennoch verwehrt blieben, obwohl mit einem Plattenvertrag bei Epic Records beste Voraussetzungen gegeben waren, wunderbar zur Geltung, wobei sich jetzt anbietet, den vergessenen Gitarrenhelden James Byrd wiederzuentdecken (auch sein Solowerk zu studieren lohnt), dessen überragendes Gespür für griffiges Songwriting gern unter den Tisch gekehrt wird.
Die seit einiger Zeit wieder halbwegs aktive Truppe bewies in ihrer Sturm-und-Drang-Zeit melodische Brillanz, kam jedoch im Zuge der emporstrebenden Thrash-Szene einen Tick zu spät. 'In the Fallout' oder die Blues-Koketterie 'Only The Strong Survive' sind Ohrwürmer, bei denen oft leise Sehnsucht unbeschreiblichen Ursprungs mitschwingt, wohingegen die flotten Feger 'Call Out The Warning' und 'The Night' Vergleiche zu Twisted Sister in ihren flammendsten Momenten minus Glam und Transvestitentum heraufbeschwören. Hinzu kommt das gedrosselte, aber trotzdem aufputschende 'Shout It Out' mit einem überlebensgroßen Refrain, der dem Monsterhook der Bandhymne 'Fifth Angel' in nichts nachsteht.
Abgerundet durch Savatage-verdächtige Chöre, Synthesizer-Fanfaren, wie es sie nur in den 1980ern geben konnte, dem Spiel mit Tonfolgen aus orchestraler Klassik und gezielt platzierten Akustikparts, die sogar an kompakte Kansas denken lassen ist "Fifth Angel" nahezu perfekt und stellenweise auch heute noch zum Heulen schön, vor allem die kraftvollen Balladen 'Wings Of Destiny' und 'Fade To Flames', die man auf eine Stufe mit der Über-Nummer 'Lay It On The Line' von den Kanadiern Triumph stellen darf.
FAZIT: Phänomenaler Melodic POWER Metal, klanglich piekfein und dennoch mit Rändern unter den Fingernägel - FIFTH ANGEL sollten allen emporkommenden Genre-Neulingen als Maßstab dienen, denn was die Amerikaner schon auf ihrem boten, braucht man im Nachhinein nicht zu verklären. Zarter Schmelz und satte Härte, anbetungswürdiges Songwriting mit Popappeal und eine spielerische Leistung, vor der die parallel aus dem Friseursalon zockelnden Wirr-Tuosen der L.A.-Szene verdammt alt aussahen. Braucht man ganz dringend, wenn man im klassischen Metal über die üblichen Verdächtigen hinaus mitreden möchte. <img src="http://vg08.met.vgwort.de/na/37a8b3732b6346a99c2fdca93d3e8821" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.05.2018
Metal Blade / Sony
37:39
18.05.2018