Frankreich ist immer für ein paar faustdicke Überraschungen gut – egal, ob das nun ein charismatischer, junger Präsident, der nicht in das kleinbürgerliche Polit-Etablissement passen will, oder eine junge, ebenso charismatische Musikerin ist, die mit ihrer geheimnisvoll rauchigen Stimme wundervolle Erinnerungen an die Jagger-Muse und Musikerin MARIANNE FAITHFULL weckt. In Frankreich eroberte sie mit dieser Stimme sowie ihren dunklen, elektrifizierten Pop-Chansons fast das ganze Land, während der europäische Rest noch im musikalischen Dornröschenschlaf des ewig gleichen Mainstream-Pops schlummert.
Höchste Zeit, um endlich auch hier die Musik-Goldfische aus dem FISHBACH zu ziehen, der den liebevollen Namen <a href="https://fishbach.bandcamp.com/album/ta-merci-edition-deluxe" rel="nofollow">„À Ta Merci“</a> trägt. Ähnlich schöne Goldstücke lieferte aus Frankreich bisher nur eine GUESCH PATTI ab, als sie vor gut 30 Jahren mit ihrer ungewöhnlichen Debüt-Single „Etienne“ jede Menge Aufsehen erregte und dem <a href="https://www.youtube.com/watch?v=29mcKVhwzu8" rel="nofollow">„Un Autre Que Moi“</a> bereits verdammt nahe kommt.
FISHBACH verharrt leider manchmal zu intensiv in dieser Zeit-Epoche der 80er-Jahre und stibitzt sogar ein klein wenig bei „Love Will Tear Us Apart“ von JOY DIVISION, wenn sie ihren im Endeffekt schwächeren Pop-Song <a href="https://www.youtube.com/watch?v=HsEGfwSJX4g" rel="nofollow">„Éternité“</a> präsentiert.
Zuvor aber steigt FISHBACH mit „Ma Voie Lactée“ in ihr bereits zweites Album genauso ein, als wollte sie einer MYLENE FARMER in Kanada Konkurrenz machen – in punkto Pop-Appeal genauso wie in der erotischen Song-Ausstrahlung und <a href="https://www.youtube.com/watch?v=QLp67q_9vx0" rel="nofollow">„Mortel“</a> ist das absolute, fast gespenstische Highlight von „À Ta Merci“. Sofort bestätigt sie mit den beiden Titeln die Vision, welche sie zu ihren Songs entwickelt, indem FISHBACH diese für sich personifiziert: „Jedes Lied ist ein Gemälde, eine Frau, die ich hätte sein können, die ich sein könnte oder die ich sein werde.“ Erotik, experimenteller Pop, aussagekräftiger Chanson, Verspieltheit, Hypnotisches, aber auch etwas Kälte, Trauer, Berechnung und Austauschbarkeit – da kommen so einige Charaktere zusammen.
Leider verläuft oder versteckt sich die Musik manchmal zu stark in/hinter den elektronischen Rhythmus-Erzeugern, sodass aus der eigentlichen Stärke von FISHBACH, ihr Gesang, der die französischen Texte ein- und ausdrucksvoll vorträgt, nicht alles herausgeholt wird, besonders dann, wenn die Songs flotter programmiert daherkommen, wie beispielsweise <a href="https://www.youtube.com/watch?v=yP0E1pfWNsY" rel="nofollow">„Y Crois-tu“</a>, dem auch noch ein dicker Brocken „Pathos“ vorgeworfen wird.
Mehr Akustik und weniger Elektronik! Das wäre die Mischung, welche eine FISHBACH unwiderstehlich und unvergesslich machen würde. So aber hinterlassen die vielen elektronischen Spielereien und synthetischen Flächen sowie das 80er-Jahre-Electro-Pop-Flair einen oftmals leicht unterkühlten Eindruck, dem die warme Stimme etwas verlassen scheinend gegenübersteht.
FAZIT: Eigentlich ein wunderbares Album mit einer französischen Sängerin, die einen sofort mit ihrer Stimme und den französischen Texten einfängt. Leider setzt FISHBACH auf „À Ta Merci“ noch zu sehr auf den 80er-Jahre-Electro-Pop, der auf die Dauer ziemlich antiquiert auf ihrem bereits zweiten Album wirkt.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.05.2018
Xavier Thiery, Michelle Blades
Fishbach
Lockhart, Xavier Thiery, Fishbach, Michelle Blades
Fishbach, Xavier Thiery
Lockhart, Jean Thevenin
Enterprise/Sony Music
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16.03.2018