Florian Pellissier konzipiert zwischen seiner Pariser Heimat und der Jazz-Hochburg New York eine recht eigensinnige Form von Jazz, die irgendwo zwischen 1960er-Retro, Fusion-Fieber und zeitgenössischer Abstraktion angesiedelt ist. "Bijou Voyou Caillou" besticht in diesem Dreieck durch aufregende Kompositionen mit einem improvisatorischen Ansatz, der den Kern des jeweiligen Stücks zu keiner Zeit aufweicht.
Der tonangebende Pariser setzt im Wechsel auf das Schöne im Schlichten und klanglich ungemein dichte Arrangements, beide hervorragend von Tontechniker Pierre Dachery in Szene gesetzt und sehr dynamisch festgehalten. Auf diese Weise erstrahlen sowohl relaxt urban anmutende Momente wie 'Coup de foudre à Thessalonique' als auch der nachgerade hämmernde Vorwärtsdrang von 'South Beach' im besten Klanglicht.
Nach dem knappen Zwischenspiel 'Colchiques dans les prés tritt der auch Musik (Calypso - höre das Album "Caribbean Roots" von 2016) machende Schriftsteller Anthony Joseph aus Trinidad in 'Boca', einem vom Kontrabass dominierten Spoken-Word-Ausrufezeichen, ins Rampenlicht. Das düstere 'Colosse de Rhodes' erreicht den Rand des Milieus früher Fusion-Acts, ohne dass das Quintett auch nur einmal auf Rock-Instrumente zurückzugreifen müsste; die Basis seines Sounds bleiben Saxofon, Trompete, Klavier und die bemerkenswerte Rhythmussgruppe.
Insbesondere das Schlagzeugspiel ist atemberaubend detailverliebt, sowohl in der getragenen Eröffnung 'Fuck with the police' und später während 'Espions', das einen vergleichbaren Duktus an den Tag legt, also auch in der smoothen Ballade 'Bijou voyou Caillou' und der hitzigen Klangreise 'Hibou bleu' mit Arthur Higelin alias Arthur H, einem ebenfalls französischen Singer-Songwriter. Müsste man die Formation im Zusammenhang mit anderen Jazz-Fünfern der Jetztzeit vergleichen, täte man sich schwer, weil die meisten anderen im Jazz eher traditionell ausgerichtet sind. So etwas wie den jubilierende, zehn Minuten dauernden Abschluss 'Jazz carnival', der mit vagen Salsa-Elementen aufwartet, würden sie sicherlich nicht erlauben.
FAZIT: "Bijou Voyou Caillou" ist ein interantionaler Aufmerksamkeit würdiges Album, das sich durch kantige Bass- und Drum-Arbeit sowie feinfühlige Arrangements auszeichnet. Wer gern eng verzahnte Bläser- und Piano-Klänge mit Aufsehen erregender Rhythmik im Idiom Jazz hört, feiert mit diesem Album ein Fest.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.06.2018
Heavenly Sweetness
55:24
01.06.2018