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Reviews

Garda: Odds

Stil: Pop, Folk

Cover: Garda: Odds

Ein düster-monotoner Schrammelakkord eröffnet „Odds“, das neue, dritte Album von GARDA. Alsbald erweitert sich das Klangbild um Geige und Gesang, leicht verzerrt, wie abwesend. Nach und nach intensiviert und verbreitert sich „Wild/Lights“ jedoch zu einem zwar noch immer melancholisch vorbelasteten, aber fast hymnischen Popsong, von der sechsköpfigen Band ohrenschmausigst instrumentiert; und schon ist man drin, in diesem überaus gelungenen Album, das totzuhören sich der Rezensent im opferbereiten Selbstversuch seit nunmehr drei Monaten erfolglos bemüht. Doch schließlich hat man es hier mit einem echten Kaliber in Sachen Substanzmusik zu tun: Eine Hälfte der Band hat ihre Wurzeln im Hardcore, während die andere sich mit experimentellem Folk beschäftigt. Zusammen schafft dieser Haufen einen ganz und gar individuellen Klang, den eine stete, kaum spürbare Brise nordatlantischer Emo-Ausläufer anhaucht, der sich mit Indie-Pop a la The National oder London Grammar auskennt, der Songwriter wie Tim Kasher ins Gedächtnis ruft, der dabei jeder Austauschbarkeit ausweicht.

Streicher, Bläser, Vibraphon – seine Musik, die man im Kern immer noch Pop oder Rock zu nennen hat, derart instrumental aufzumöbeln, birgt die Gefahr, sich der Schwerfälligkeit preiszugeben, schlimmstenfalls gar ins Prätentiöse abzurutschen. Das Kollektiv aus dem ostdeutschen Hinterland umschifft solche Klippen durchgehend erfolgreich. Grund dürfte sein, dass hier nicht Verzierungen an ein bereits fertiges Werk geklebt werden, sondern dass GARDA das Gebäude ihres Albums von vornherein aus den verschiedensten Materialien konstruieren, aus Stahl, aus Blech, aus Holz. So entstehen Songs, die sich so leicht wie facettenreich und in wunderbarem Sound präsentieren. Eingebettet in diese blühende Landschaft bahnt sich die Stimme von Kai Lehmann mit sanftem Nachdruck ihren Weg, mit kontrollierter Emotionalität das rechte Maß einhaltend. Das rechte Maß: Obwohl GARDA, wie es scheint, aus dem Vollen schöpfen können, nicht nur, was ihre Besetzung, sondern auch, wie die durchweg hohe Qualität der Songs nahelegt, was ihren Ideenfundus angeht, ist „Odds“ offfenbar von vorn bis hinten durchdacht, überwacht von strikter Selbstkontrolle.

Wie erwähnt haben GARDA bei aller Lebendigkeit einen deutlichen Hang zur Melancholie, wie sie z.B. am Radiohead-reminiszierenden „Slakmöre“ demonstrieren. Im selben Song und an vielen anderen Stellen (z.B. im herzerwärmenden „Hunter“) wartet die Band jedoch mit warmen, leuchtenden Refrains auf, die mehr auf die Red Hot Chili Peppers verweisen, denn auf britischen Depri-Artpop.
Allerdings haben sich GARDA dagegen entschieden, „Odds“ auf einer solchen Note ausklingen zu lassen: „Iron“ ist eine ausgedehnte, berührende Übung in Schwermut: „And it‘s all about to evade, Yes it‘s all about to leave, There are many different places, Where we used to store our fears“, singt Lehmann zu sparsamer, Gitarren-zentrierter Begleitung. Ein bisschen so, als würden Angus and Julia Stone „Take Me Somewhere Nice“ covern…

FAZIT: Ein wirklich großes Album haben GARDA mit „Odds“ vorgelegt. Eines, das sich über alle kurzzeitgebundenen „Der neue Stern am ...“-Aufreger erhebt. So ausgeklügelt wie gefühlsdirekt, so detailgenau wie kraftvoll – <i>stay odd</i>!

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.12.2018

Tracklist

  1. Wild / Lights
  2. Meds
  3. Slakmöre
  4. Disappear
  5. Are We (...)?
  6. 400 Pages
  7. Hunter
  8. Made It After All
  9. Iron

Besetzung

  • Sonstiges

    Kai Lehmann, Ronny Wunderwald, Neli Mothes, Lars Hiller, Frank Heim, Karsten Pretschner, Ludwig Bauer, Benjamin Arnold, Alina Gropper, Philine Jobst, Filip Sommer, Gunther Strehlau, Bernd Wunderwald, Markus Altmann

Sonstiges

  • Label

    K&F Records

  • Spieldauer

    38:20

  • Erscheinungsdatum

    28.09.2018

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