Mit Mitte 50 steht Schlagzeuger Gene Jackson im vollen Saft, wie das erste Album des Berklee-College-Absolventen und Klassenkameraden von Branford Marsalis als Bandleader suggeriert. Der einstweilige Sideman von Dave Holland, Herbie Hancock, Wayne Shorter und Kevin Eubanks hat sich dafür mit Bassist Carlo DeRosa (u.a Ravi Coltrane, Ed Thigpen) und Pianist Gabriel Guerrero (Steve Coleman, Roy Hargrove) zu einem klassischen Jazztrio zusammengetan, das mitunter auf die falsche Fährte lockt und so auch trotz traditioneller Anlage fortwährend überrascht.
Gleich zu Beginn könnte man angesichts Cole Porters 'I Love You' mit einem Album voller Standards rechnen, aber "Power Of Love" ist nichts dergleichen. Die Nummer bestellt vielmehr gemeinsam mit den beiden Thelonious-Monk-Kompositionen 'Played Twice' und 'Ugly Beauty' den akustischen Boden für alles weitere - ökonomische Arrangements, aus denen die drei Asse das Maximum zu schöpfen scheinen, und ein hoher improvisatorischer Anteil, den man dem Material jedoch kaum anmerkt, weil Guerrero die Melodien nie aus dem Auge verliert.
Und Melodien, die hat der Dreier in großer Zahl geschrieben. Der Pianist tritt selbstsicher, aber mit einem Ohr dafür in Erscheinung, was in unterschiedlichen Situationen geschieht, und zieht so alle Fäden, wohingegen der Namengeber als zweckmäßiger Begleiter fungiert, gleichwohl nicht ohne Aufmerksamkeit heischende Spots wie zu Beginn des episch angelegten 'Land Of The Free' oder im rhythmisch störrischen 'Great River'. Dass Jackson selbst nur zwei der enthaltenen Tracks geschrieben hat, zeugt von seinem Vertrauen in Guerrero, das auch prompt belohnt wurde.
FAZIT: Mit fast 70 Minuten Spielzeit ist "Power Of Love" ein ausführliches Zeugnis dessen, wozu ein Jazztrio in der Lage ist, wenn es sich bei allem Geschichtsbewusstsein freimütig weiter aus dem Fenster lehnt. Jackson, Guerrero und DeRosa pendeln zwischen Unbeschwertheit und virtuoser Gravitas hin und her, ohne nur einen Moment lang im Leerlauf zu rollen. So wandlungsfähig lässt man sich Genre-Tradition gefallen.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.06.2018
Whirlwind
54:24
01.06.2018