GHOST sind tatsächlich auf dem Weg an die Spitze. Ausverkaufte Tourneen und (Co-)Headline-Slots auf den größten Metalfestivals Europas sind starke Argumente bei der händeringenden Nachfolgersuche für die Mega-Metal- und Rockbands, deren Verrentung längst begonnen hat. Auf diese Nachfolgeschaft haben es GHOST zwar von Beginn an abgesehen, dass es Papa Emeritus und seine Nameless Ghouls so schnell so weit bringen würden, war jedoch kaum abzusehen. Dass sich ihr Gimmick über die letzten sieben Jahre kaum abgenutzt hat, ist am nach dem überraschenden digitalen Release Anfang Dezember 2017 nun auch physisch erscheinenden ersten Live-Album abzulesen, das sich (mit leichten Abstrichen) wie ein Best Of-Album anhört.
Metal und Hard Rock mit satanistischer Message vorgetragen von einem schwarz gekleideten Papst und seinen Ghouls, das schreit nicht unbedingt nach Massenkompatibilität. Doch was GHOST so interessant macht, ist ihr ganz eigenes Gespür für Pop, Selbstironie, Eigenständigkeit, Wandlungsfähigkeit und Show. Nach drei Studioalben und zwei EPs ist die erfreuliche Entwicklung zu erkennen, dass sich das Sechsgestirn keineswegs in eine Sackgasse manövriert. Ganz im Gegensatz zeigt es Mut und zunehmende Raffinesse im Songwriting, die noch lange nicht ausgeschöpft zu sein scheint.
„Ceremony And Devotion“ ist in diesem Sinne ein erstes Zwischenfazit in Sachen GHOST’schem Siegeszug. Als Triumph ist auch der Ort der Aufnahme zu werten: Zwischenzeitlich hatte die Band den immer noch starken christlichen Glauben der AmerikanerInnen zu spüren bekommen und musste sich mit Widerstand gegen ihre teuflische Musik auseinandersetzen. Heute ist man auch in den Staaten flächendeckend unterwegs, im kalifornischen San Francisco hätten GHOST aber wohl ohnehin aufnehmen können (alleine schon aufgrund der Anlehnung an den aktuellen Papst eigentlich unverzichtbar). 15 Songs umfasst das 80-minütige Zeugnis, das aufgrund der letzteren Maßzahl leider unglücklich auf zwei CDs verteilt werden muss.
Wenn man genauer hinschaut, gibt es dann auch nur 15 „richtige“ Songs zu hören, die Instrumentals ‚Devil Church‘ und ‚Spöksonat‘ sind eher von dramaturgischen Zwischenspielwert. Abzüglich dessen lassen sich GHOST aber kaum etwas zuschulden kommen und tragen ihre Best Of-Show professionell wie mitreißend vor. Dabei zäumen sie das Pferd von hinten auf und beginnen mit ihrem neuesten Streich ‚Square Hammer‘ von der „Popestar“-EP. Ein waschechter vier-Minuten-Hit mit Ohrwurm-Refrain im typischen GHOST-Gewand. Synthie-Orgel-Klänge werden gewinnbringend angebracht, die Gitarrenriffs changieren zwischen Hard Rock und Metal.
Auf „Meliora“, dem immer noch aktuellen Album, versuchte sich das Sextett an der Verbindung von ausgeklügeltem Songwriting und Hitpotenzial, was ihnen in einer erstaunlichen Dichte gelang. ‚From The Pinnacle To The Pit‘ ist da ein gutes Beispiel, weil sich der durchaus eigenwillige Aufbau nicht mit der Eingängigkeit des Vierminüters beißt. Zusammen mit ‚Absolution‘ und ‚Cirice‘ bildet sich ein hartes Dreigestirn, das als Maßstab für den weiteren Output GHOSTs gelten muss. Der nahtlose Übergang zwischen Songs der verschiedenen Alben zeigt, dass sich bisher keines verstecken muss, eben auch weil die Band in ihrem eigenständigen Sound immer noch frische Variationen und Erweiterungen einzubringen weiß. Die CD/LP-Version kommt gegenüber der digitalen Veröffentlichung mit den zwei Bonus Tracks ‚Elizabeth‘ und ‚Secular Haze‘.
Über die Songauswahl lässt sich bei einer solchen Hitrate trefflich streiten, für Traditionalisten hätte es gerne noch mehr vom Debüt „Opus Eponymous“ geben dürfen, gerade weil vom Zweitwerk „Infestissumam“ immer noch sieben Songs ihren Weg in die Setlist geschafft haben. Aber gerade der Wechsel aus rohem Frühmaterial und progressiv-verspielten Kompositionen machen „Ceremony and Devotion“ zu einem anregenden Konzerterlebnis. Außerdem ist es verständlich, dass GHOST sich vornehmlich mit der Gegenwart beschäftigen möchten, ihrer bisher stärksten Inkarnation. Wer auch immer sich momentan unter den Kostümen verstecken mag, bildet gemeinsam ein eng aufeinander abgestimmtes Team, das den gesamten Katalog beherrscht und in neuen Songs weiterentwickelt.
Die Band vertraut auf ihre Fähigkeiten und wagt deswegen einen rohen Mix. Dabei mögen die Gitarren oder die mit Hall unterlegte Stimme von Papa Emeritus manchmal etwas dünn wirken, GHOST setzen aber glücklicherweise eben nicht auf aufgeblasene Pomp-Produktionen und Nachbearbeitungen. Leider erscheint das Konzert nicht auf DVD und Blu-ray, weswegen manch ein dramaturgischer Kniff nicht zu sehen ist, aber auch ohne die visuelle Seite funktioniert die Show. Papa weiß das Publikum mit augenzwinkernden Interaktionen zu bespaßen, hält sich hier aber vergleichsweise kurz, damit die Musik für die offizielle Veröffentlichung im Vordergrund bleibt. Und wahrscheinlich auch, um die wirkliche Live-Erfahrung des Konzertbesuchs zu bewahren.
KISS, WITCHFINDER GENERAL, ABBA, DIE ÄRZTE, IRON MAIDEN, POWERWOLF, BLUE ÖYSTER CULT, all die Acts, die GHOST bislang mit Coverversionen bedacht haben, die Liste von Einflüssen ist umfangreich und längst nicht komplett. Aber genau daraus stricken sich die Sechs eine eigene Identität, die trotz aller Bedenken weder peinlich noch anbiedernd wirkt. GHOST wissen die Massen zu unterhalten und schreiben dabei auch noch bemerkenswerte Songs. Das merkt der Zuhörende auch daran, dass nach dem Ablauf der 80 Minuten eigentlich noch genug Lust auf und Energie für mehr vorhanden ist. Momentan begnügen sich GHOST generell mit einem 90-Minuten-Set, mit einigen Songs vom Debüt und dem einen oder anderen Cover wäre sicher mehr drin. Aber lieber ein dichtes Konzerterlebnis als eine künstliche Erweiterung. Das neue Album ist jedenfalls schon auf dem Weg und soll Mitte 2018 erscheinen. Wer hegt da schon ernsthafte Zweifel, dass nicht noch eine Handvoll neuer Hits dazukommt?
FAZIT: „Ceremony And Devotion“ zeigt nach drei Alben schon die Hitdichte im Hause GHOST. 15 Songs (als Kaufanreiz gegenüber der Streaming-Version gibt es zwei Songs als Bonus Tracks) und zwei Instrumentalstücke bringen es auf etwa 80 Minuten Spielzeit, die mit dem starken Katalog sicher noch länger hätte sein können. Aber das vorliegende Doppel-Album unterhält mit guter Musik und augenzwinkernden Ansagen, insgesamt ein dichtes Konzerterlebnis für zuhause. GHOST sind in der aktuellen Besetzung stark miteinander verzahnt und wissen, wie eine Show funktioniert. Leider gibt es keine Konzertfilm-Version, die das Gesamtkunstwerk GHOST zeigt. Über die Songauswahl lässt sich traditionell streiten, hier und da zeigt der rohe Mix kleine Schwächen, dafür aber auch Authentizität und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Ein gutes Zwischenfazit einer Karriere, die auf die ganz großen Slots der Welt zielt. GHOST sind diesbezüglich wider aller Bedenken auf dem besten Wege.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.01.2018
A Nameless Ghoul
Papa Emeritus
A Nameless Ghoul
A Nameless Ghoul
A Nameless Ghoul
Loma Vista/Universal
81:39
19.01.2018