Das Weihnachtsgeschäft naht, und wer mit seiner Musik so viele Hausfrauen beschallt wie GOTTHARD, braucht einen Aufhänger für eine Tonträgerveröffentlichung, die auf ein weiteres amtliches Studioalbum einstimmt. Die Schweizer schafften mit ihrem 1997 veröffentlichten Live-Album "D-Frosted" bekanntermaßen den Durchbruch und lassen diesem Projekt nun mehr als 20 Jahre später ein mindestens ebenbürtiges folgen. Einzig der Überraschungseffekt fehlt im Gegensatz zu damals, als GOTTHARD den Erfolg für eine konsequente Abkehr von allzu harten Sachen nutzten … un natürlich singt längst Nic Maeder …
Die vielen Schmonzetten, die der Gruppe im Lauf ihrer Karriere in inflationär hoher Zahl ausgesprochen zwanglos von der Hand gegangen sind, schreien regelrecht nach einem "unplugged"-Ambiente, gleichwohl das Ganze natürlich wie immer bei solchen Unterfangen sehr wohl verstärkt und nicht "entstöpselt" mitgeschnitten wurde. Die Inszenierung gestaltet sich jedoch nichts weniger als edel in allen Belangen.
Gospel-artiger Chorgesang, eine erweiterte Besetzung für mehr sinfonisches Flair und natürlich mit den Jahren gewonnene Erfahrung im Komponieren sachter Lieder, die in einem solchen Kontext immer noch am besten funktionieren; das im Original stampfende 'Bang' kommt hingegen in schaumgebremster Form zumindest subjektiv (in den Ohren dieses Hörers) weniger überzeugend daher, wohingegen 'Beautiful' oder das intime 'C'est La Vie' standesgemäß zum eng umschlungenen Tanz einladen.
Zu den Zungenschnalzern in puncto Performance und Arrangement gehören die Country-bluesige Wandergitarren-Version von 'Out On My Own' und das mit Streichern besonders opulente 'Remember It's Me'. Dank des orchestralen Schmelzes gewinnt das Ensemble auch der ollen Schote 'Tequila Symphony' tatsächlich eine neue, bombastische Seite ab, und das hier wirklich jubilierende 'Lift U Up' klingt so, als sei es ursprünglich für just solche Anlässe geschrieben worden.
Der fette Folk Rocker 'Sister Moon' beginnt im letzten Drittel des Programms mit Slide-Gitarre den Endspurt, der unweigerlich auf das ausgedehnte Finale 'Anytime, Anywhere' hinausläuft; danach hätte man 'Smoke On The Water' von Deep Purple echt nicht mehr gebraucht - eigentlich ein absolutes "no go" für eine Kapazität wie GOTTHARD.
Die beiden Studiotracks als Bonus-Anhang dürften selbst solchen Fans einen Kaufanreiz bieten, die dem "Auftau"-Konzept des Quintetts abschwören. Hauptsächlich geht es hier um den Rockabilly-Feger 'Bye Bye Caroline' unter Beteiligung von Status Quos Frontmann Francis Rossi, der den Song gemeinsam mit Leo Leoni als Hommage an seinen Klassiker 'Caroline' von 1973 komponierte, ehe die Klavierballade 'What I Wouldn't Give' am Ende fies kitschig auf die Tränendrüsen drückt … aber so sind GOTTHARD nun einmal; verruchte Rocker werden sie in diesem Leben nicht mehr.
FAZIT: Ein nahezu perfekter Kuschelrock-Sampler, der keiner ist, für die kalten Tage, wenn weich gewordene Metallherzen Wärme brauchen … <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/b702fbd74ce44a3cbcc37fe59fc24f5b" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.12.2018
Nuclear Blast / Warner
114:09
07.12.2018