Im Gegensatz zu seiner alltäglichen Verwendung wird ein Hammer weniger mit Konstruktion, denn mit Zerstörung, Befreiung, Behauptung in Verbindung gebracht, woran wohl unser aller liebster Pferdeumarmer nicht unschuldig sein dürfte. Was Nietzsche von „Alternative Electronica“ gehalten hätte, oder davon, den Hammer mit Glitzersteinchen zu verzieren, kann wohl nicht zweifelsfrei geklärt werden, jedoch darf vermutet werden, dass dem Wagner-Fan einige Elemente des Ansatz, mit dem Chris Corner aka IAMX an das Genre herangeht, nicht allzu zuwider gewesen sein dürften.
Für Corner ist „Alive in New Light“ nicht zuletzt der Hammer, mit dem er sich aus einer Phase der Depression befreit hat. Dementsprechend triumphal klingt der Opener „Stardust“, eine romantisch verbrämte Hymne an das Diesseits (womit wir wieder bei Nietzsche wären), die auch IAMX‘ erste Gastsängerin präsentiert: die Tattookünstlerin Kat von D., die auf drei weiteren Songs ihre Stimme beisteuert. Dass Chris Corner sich diese Unterstützung ins Boot holt, liegt aber absolut nicht daran, dass er selbst stimmlich nicht auf der Höhe wäre: Im Gegenteil, immer wieder ist es erstaunlich, in welche Höhen Corner glasklarerweise vordringt.
Ein besonderer Höhepunkt ist „Exit“: Wie Corner hier aus einem maschinellen Beat nach bester BJÖRK-Manier eine durchscheinende, urgewaltige Songwelle aufschaukelt, ist beeindruckend und berührend.
Eine Ausnahme auf diesem Album, das sich am liebsten in Breitleinwand und Stereo dem großen Gefühl hingibt, verpackt in eine tadellose Produktion, bildet „Stalker“: Seinem Titel entsprechend entpuppt sich das Stück als nachtschleichende Angelegenheit, die mit filmmusikhaften Streichern ein schauerliches, unzeitliches Gefühl erzeugt – und wiederum Kat von D. als Gastsängerin aufweist.
Auch „Big Man“ weckt cineastische Assoziationen, bzw. (dadurch hervorgerufen) ein Gefühl von Schostakowitsch. Vor allem im Albumkontext macht diese diese sich gefährlich wiegende, befremdliche, verstörende, kurzweilige Nummer Sinn.
Weniger schlüssig sind „Body Politics“, das stampfend und recht eindimensional daherkommt und die finale Piano-Ballade „The Power and the Glory“. Diese ist zwar nicht unansprechend umgesetzt – mit viel Pathos versteht sich –, allerdings lässt die stereotype Postion und die damit einhergehende Gestaltung eine gewisse Unentscheidbarkeit aufkommen, wie ernsthaft dieses Ende genommen werden sollte.
FAZIT: Allgemein ist „Alive in New Light“ jedoch auf jeden Fall ernstzunehmen, zu genießen, mitfühlend zu erleben. IAMX meldet sich nachdrücklich und überzeugend zurück.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.06.2018
Chris Corner, Kat von D., Janine Gezang
Chris Corner
Caroline/Universal
40:22
02.02.2018