Iona Fyfe ließ sich für ihr erstes Album von Stimmen wie Stanley Robertson und Lizzie Higgins anregen, beide Instanzen in Sachen schottischer Folklore und Storytelling mittels Musik. Auf diese Weise greift sie den Duktus überlieferter Balladen aus der weiteren Region um Aberdeenshire auf und nimmt ihn als Vorlage für eine eigene Komposition, die wiederum in einem zeitgenössischen - und idealerweise auch zeitlosen - Kontext zu verstehen ist.
Ergänzt wird diese Nummer aus Fyfes Feder ('Banks of the Tigris', ein unerwart politisches Lied mit Bezug auf den Mittleren Osten und folgerichtig der aufwühlende Moment schlechthin auf dem Album) von Werken aus dem Repertoire einiger ihrer Landsleute, denn Idole der jungen Dame sind gleichfalls moderne Singer-Songwriter wie wie Michael Marra (der "Bard of Dundee, höre 'Take Me Out Drinking Tonight') oder Arab Strabs Aidan Moffat ('And So We Must Rest').
Die dritte und letzte Komponente bilden hingegen weitgehend originalgetreu vorgetragene Traditionals, und der Gesamteindruck ist wider Erwarten ein erfreulich einheitlicher. Das liegt auch an der entspannten Art der Künstlerin vom nordöstlichen Zipfel der britischen Hauptinsel. Sie versteht Liedermacherei als Universalsprache und vermittelt etwa mit dem belebende 'Guise of Tough', einem Bauernlied aus dem 19. Jahrhundert, die Befindlichkeit ein Dasein in Armut fristender und dennoch mit untrüglicher Lebensfreude ausgestatteter Menschen.
Diese Art von Lokalkolorit ist von verblüffender Allgemeingültigkeit. Das in Fyfes Heimat sehr populäre 'Glenlogie' handelt von unglücklicher Liebe mit Happy End, ehe 'Banks of Inverurie' leise Wehmut verbreitet, auch weil es eben nicht auf der Sonnenseite endet. 'Away From My Window' beginnt mit Ausschnitten einer Erklärung des erwähnten Sängers Robertson zur Relevanz mündlicher Überlieferungen vergangener Geschehnisse, woraufhin man den spukhaftesten Track des Albums genießen darf. Bleibt noch 'Bonny Udny', das der Künstlerin auf den Leib geschnitten zu sein scheint.
FAZIT: Iona Fyfe vermittelt auf ihrem Debüt den Eindruck, als Folk-Bardin geboren worden zu sein, nicht nur weil sie traditionelles Liedgut frisch interpretiert, sondern auch wegen der fast feudalen Würde, die sie bereits ausstrahlt, wenn sie sich mal älteren, mal jüngeren Kompositionen widmet, die letztlich alle humane Archetypen zum Gegenstand haben. Kein Wunder also, dass man sich so leicht darin wiederfinden kann …
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.11.2018
Cairnie
47:32
02.11.2018