Jason Becker war noch keine 20 Jahre alt, als er zu den talentiertesten E-Gitarristen der Welt gezählt wurde und als Steve Vais Nachfolger in der Soloband von Ex-Van-Halen-Frontmann David Lee Roth einstieg. Dann schlug bekanntlich das gleiche Schicksal wie bei Stephen Hawking zu, und man diagnostizierte dem Wunderkind die nicht heilbare, degenerative Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose.
Seitdem sind fast 30 Jahre vergangen, und Becker lebt noch, auch wenn er weder mehr selbständig atmen, geschweige denn sein einstiges Instrument spielen kann. Mithilfe seines Vaters entwickelte er jedoch ein System, um sich über Augenbewegungen mitzuteilen, sodass er nie aufhören musste, Musik zu schreiben. "Triumphant Hearts" stellt nun Material aus seiner "Feder" zusammen, das von erlauchten anderen Musikern anhand von Beckers Vorgaben eingespielt wurde. allen voran den sogenannten Magnificent 13 — Steve Vai, Joe Bonamassa, Paul Gilbert, Neal Schon, Marty Friedman, Michael Lee Firkins, Mattias IA Eklundh, Greg Howe, Jeff Loomis, Richie Kotzen, Gus G., Steve Hunter und Ben Woods. Umso erstaunlicher, dass es sich um alles andere als ein traditionelles Gitarren-Album handelt.
Schon das Titelstück als längeres Intro mit symphonischem Charakter lässt an den Soundtrack zu einem älteren Eastern-Streifen denken, nicht zuletzt aufgrund der Beteiligung von Friedmans japanischer Ehefrau, der Cellistin Hiyori Okuda, und des italienischen Geigers Glauco Bertagnin. Später gemahnen auch 'Fantasy Weaver' (mit dem Ukulele-Virtuosen Jake Shimabukuro), das besonders stark von fernöstlicher Melodik geprägte 'Once Upon A Melody' sowie 'Valley of Fire' (unschöne Nintendo-Gitarren und Drumcomputer allerdings) an epische Filmscores.
Über die durchaus eindrucksvollen Melodiebögen dieser Tracks hinaus, die Beckers umfassendes Verständnis von Orchesterkomposition hervorheben, verbucht das Ensemble einige weniger schöne Fauxpas, etwa den uninspiriert stampfenden Eighties-Pop-Rocker 'We Are One' (mit Flypside-Frontmann Steve Knight) und 'Hold On To Love', das wiederum von dem Kalifornier Codany Holiday sowie einem Gospel-Chor gesungen wird. Sein 'We Are the World'-Flair steht dem Stück nicht unbedingt zu Besten, und der Remix am Ende fällt in seiner artifiziellen Art komplett durch.
Das New-Age-Geplätscher 'River of Longing' mit Eighties-Klangdesign Trevor Rabin, der sich hier nicht gerade mit Ruhm bekleckert, steht dem swingenden Goodtime-Shredder 'Taking Me Back' und einer unnötigen Coverversion von Bob Dylans 'Blowin' in the Wind' gegenüber, die Gary Rosenberg arg pathetisch vorträgt, und im Bluesrocker 'Tell Me No Lies' fällt wieder fällt das künstlich klingende Schlagzeug auf.
'River of Longing' mit Joe Satrianis unnachahmlichem Gitarrenton sowie zwei weiteren echten Könnern - Guthrie Govan und Deep Purples Steve Morse gehört zusammen mit der halben Akustik-Studie 'Magic Woman', in der sich Uli Jon Roth und Chris Broderick (Eidolon, Megadeth) die Bälle zuspielen, zu den dünn gesäten Lichtblicken auf "Triumphant Hearts".
Selbstverständlich steckt eine Riesenleistung hinter diesem Projekt, die zweifellos gewürdigt werden sollte; allein ein durchweg hörenswertes Album ist dabei nicht entstanden.
FAZIT: "Triumphant Hearts" bietet größtenteils pappig produzierten Schwulst aus der Feder eines über alle Kritik erhabenen Visionärs und Überlebenskämpfers, realisiert von Könnern und dennoch alles andere als zwingend für den nüchternen Hörer. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/7520a1537f7a485793dca800818724d6" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.12.2018
Music Theories Recordings / Mascot / Rough Trade
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07.12.2018