Bluesrock? Ja klar, Joe Bonamassa und so … Bei aller Liebe, speziell die jüngere Generation von Blues-Fans übersieht gerne, dass es ein "blaues" Leben vor ihrem Ziehvater gegeben hat, auch wenn dieser wiederholt auf die Vergangenheit des Genres verweist. Dabei werden gleichwohl stets die offensichtlichen Legenden angeführt (keine Frage: zu Recht), und Platz für die "unsung heroes" bleibt kaum mehr.
Was das mit "Paragon" zu tun hat? Nun, Kal David ist ein Ausnahmegitarrist und Songwriter aus der Szene, den niemand kennt - ein Altmeister von mehr oder weniger genauso schwerem Kaliber wie einige größere Stars, mit denen er im Lauf seiner bereits mehr als 50 Jahre andauernden Karriere zu tun hatte. Ende der 1960er gründete der Mann aus Chicago gemeinsam mit Paul Cotton (Poco) Illinois Speed Press, die es auf zwei Alben brachten (heute natürlich Geheimtipps), ehe er sich den Fabulous Rhinestones anschloss, und das war bereits die letzte weitläufig dokumentierte Station seiner Laufbahn.
Über die Jahre hin hat David nie innegehalten, sondern in unterschiedlichen Konstellationen Musik gemacht, wobei sich mit Chanteuse Lauri Bono eine Konstante in seinem Schaffen und Privatleben (sie ist längst seine Ehefrau) herauskristallisierte. "Paragon" ist demnach nicht ihr erstes gemeinsames Album, aber das spielt kaum eine Rolle, weil gegen das aktuelle Repertoire gelungener Coverversionen der beiden so ziemlich jedes Projekt verblasst, das sich an Blues und Soul mit Frauenpower versucht.
Die Gesamtstimmung ist eine rauchige, die an amerikanische Städte in den 50ern bis 70ern denken lässt, der stilistische Umfang dank kluger Auswahl nicht nur augenfälliger Klassiker wie B.B. Kings 'The Thrill Is Gone' weitgefasst, und das spielerische Niveau natürlich hoch. Umso erstaunlicher, dass "Paragon" mithilfe deutscher Instrumentalisten in Köln produziert wurde - das Ding groovt so authentisch nach East Coast, dass man es schwerlich fassen kann.
Die einzige Eigenkomposition, 'Same Love' von Bono, fügt sich harmonisch in das soulige Ganze ein, in dessen Rahmen u.a. Randy Crawfords 'Same Old Story', 'If I Ever Lose This Heaven' von der Average White Band, 'Let's Straighten It Out von Latimore, Tammi Terrell und Marvin Gayes "If I Could Build My Whole World Around You' sowie Sam & Daves 'When Something Is Wrong' dargeboten werden.
FAZIT: Kal David bedient seine Klampfe, als dürfe er es hiernach nie wieder tun, und seine Gattin singt dazu so urwüchsig wie eine junge Wilde - "Paragon" wird seinem Titel als mustergültige Cover-Scheibe gerecht, denn das Album bietet eine Reihe von Gassenhauern, die sich das Duo mit seinen Gehilfen völlig zu eigen gemacht hat, weshalb Nichteingeweihte vermuten könnten, es handle sich um aktuelle Eigenkreationen. Muss man kennen, wenn man nur ansatzweise etwas mit groovigem Vocal Blues am Hut hat. Hammondorgel, dicke Bläser-Teppiche und eine Rhythmusgruppe, die den Funk-Schalk im Nacken sitzen hat - hier fehlt wirklich nichts.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.05.2018
Take That Task / Cargo
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06.04.2018