"Fin" - das Ende? Beim Hören dieses Einstands möchte man meinen, seine Schöpfer hätten längst alles aufgegeben, obwohl sie gerade erst in die Startlöcher getreten sind … LAFOTE traten erstmals 2013 in Erscheinung und ernteten prompt Vorschusslorbeeren, von wegen Newcomer-Hoffnung und dergleichen, überhasteten aber im Folgenden nichts, sondern feilten weiter an ihrem Sound, nicht zuletzt auch bei regelmäßigen Konzerten. Das macht sich auf diesem ersten Langspieler in jeder Hinsicht bezahlt.
Darüber hinaus, dass sich Sänger und Gitarrist Jakob Groothoff prägnant gegen brave Eingliederung und Gleichschaltung ausspricht, ist der gar nicht so traditionelle Post Punk der Hamburger zwar fiebrig, aber nie albern zappelig und schon gar nicht protzig. Die Band arbeitet sich im Zweivierteltakt auf gut hörbarem Bass-Fundament mit straightem Schlagzeugspiel und kratzigem, höchstens angezerrten Gitarrensound durch funky Arschwackler wie 'Jeden Tag werde ich mehr unsichtbar' und 'Nur der Zusammenbruch ist echt', die sogar an Rio Reisers Soloschaffen denken lassen, wobei man dem Frontmann auch wirklich außerordentlich viel dichterisches Talent bescheinigen darf.
Dem gegenüber steht richtiggehend archaischer Garage Rock, der mehr mit New York oder Detroit zu tun hat als mit Manchester oder London, wie man im Opener 'Alles liegt in Scherben' oder während des verzweifelten 'Der Riss geht auch durch dich hindurch' erkennen kann.
Hier geht es um die Urangst des Social-Media-Menschen, nicht mehr beachtet zu werden, dort um die fortschreitende "Vermassung" des Individuums zugunsten allseitiger Effizienz, anderswo um Wutbürgertum und Paranoia, den Informations-Overkill, Desorientierung und Erschöpfung. Allerdings wirkt das alles glaubwürdig selbsttherapeutisch und berührt auch den Hörer, verbreitet keinen unangenehm intellektuellen, analytischen oder eitlen Hauch und kommt auch zu verbindlich daher, um als hässliche Avantgarde oder unsäglich ironische Rock-Dekonstruktion durchzugehen.
Dagegen spricht allein schon die eingängige Niedergeschlagenheit von 'Ich gebe auf' und 'Zwischen den Zeilen dieser Zeit' mit seinem markanten Gitarrenmotiv. Vermehrte Dissonanzen wie im schroffen 'Zündschnur' erzeugen beim Hören indes einen Eindruck des Unfertigen, der durchaus beabsichtigt sein könnte, aber zum Glück nie Ausmaße annimmt, die einen Verdacht von gewollt stylischem Dilettantismus wecken.
Das schwerelose Doppel aus 'Spaghettieis' und 'Etwas fehlt' grenzt an Cold Wave minus Synthesizer bzw. New-Romantics-Kitsch … und das sechsminütige Finale 'Wir könnten sagen es ist gut so wie es ist'? Ruhig hypnotisch, traurig und doch irgendwie versöhnlich … vielleicht deshalb, weil man nicht mehr dagegen wehrt, von außen empfindungslos gemacht zu werden. Schließlich gilt es, auch weiterhin gut in der modernen Gesellschaft zu funktionieren, die eigentlich das Gegenteil von sozial ist.
FAZIT: LAFOTE rütteln auf subtile Weise auf, denn statt grelle Parolen zu verbreiten, verschaffen sie sich unaufdringlich Gehör - mit einfühlsamer Charisma-Stimme und vordergründig unkomplizierten, aber im Detail pfiffig konzipierten Songs auf retro-freier Basis der alternativen Rockmusik der frühen 1980er. Sehr spannender Newcomer, das. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/3f448bc6065e43758a7471f9c435953c" width="1" height="1" alt="">
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.11.2018
Misitunes
35:00
16.11.2018