Der Zypriot Leon Redbone, der 2019 seinen 60. Geburtstag feiern wird, wurde als Mittzwanziger über einen Umweg durch das Vereinigte Königreich zu einer Institution des westkanadischen Musikundergrounds. Der Multi-Instrumentalist legte von jeher auch Wert darauf, sich visuell wirkungsvoll in Szene zu setzen, und tat sich bald durch falsche Schnurrbärte oder adrette Anzüge hervor, während er die ganz frühen Blueser wiederaufleben ließ. Sein Repertoire streifte deshalb logischerweise ebenfalls sowohl prototypischen Jazz bzw. Swing als auch afroamerikanische Folklore, dargeboten mit einer gelinde gesprochen sehr eigenwilligen Stimme. "Strings And Jokes", der Titel bringt Redbones Stil auf den Punkt, und dahinter verbergen sich mehr als 40 Jahre alte Konzertaufnahmen, die schon zu Beginn der 1980er auf Tonträger erschienen.
Redbone gastierte 1977 jeweils im Januar und Herbst in Bremen, und beide Gigs unterschieden sich deutlich voneinander. Den ersten im Club Glocke brachte er mit Tuba-Spieler Jonathan Dorn im Duo über die Bühne, den zweiten in der Post-Aula im Alleingang. Gemein ist beiden Auftritten ein kabarettistischer Unterton (häufiges Gelächter im Publikum, weshalb man sich wie in einer Sitcom vorkommt), dessentwegen man sich wünscht, zu den jeweiligen Anlässen sei auch jemand mit einer Videokamera zugegen gewesen. Redbones Meckerziegen-Gesang verhehlt oberflächlich gehört, dass hier ein musikalischer Könner am Werk ist, der die gängige Emotionsklaviatur genauso gut beherrscht wie die Geschichte der Stile, denen er sich widmet.
Erfreulich auch: Das gebotene Material überschneidet sich jeweils nicht, und falls doch ('I Ain't Got Nobody') weisen beide Versionen deutliche Variationen auf, ein weiterer Beleg für die Abgeklärtheit dieses Künstlers, den man sich wieder oder erstmals zu entdecken anhand dieser Tondokumente aufgefordert sehen darf.
FAZIT: Das rührige Spezialisten-Label Made in Germany hat einmal mehr im Americana-Untergrund gegraben und Gold geschürft, auch wenn Leon Redbones Schaffen aufgrund seiner Exzentrität einer Minderheit vorbehalten bleiben wird. Wer sich eingehend für die Historie nordamerikanischer Liedtradition interessiert, wird längerfristig allerdings nicht an dem Mann vorbeikommen. Der Einstieg in die Materie fällt hiermit denkbar leicht.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 04.05.2018
MiG
67:43
27.04.2018