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Liebe Frau Gesangverein: Nackt

Stil: Punk

Cover: Liebe Frau Gesangverein: Nackt

Man hat seit Jahren kein deutschsprachiges Rockalbum gehört, auf dem Texte und Musik zu gleichen Teilen derart mitreißen wie im Fall von "Nackt", dem Debüt von LIEBE FRAU GESANGSVEREIN. Man braucht sich nicht zu wundern, wenn Sängerin Ricarda Giefer in naher Zukunft zum Postergirl all derer wird, die das Ende der anhaltenden Pathos-Ära im hiesigen Musikbetrieb herbeisehnt.

Engherzige Innerlicheit, provinzielle Biederkeit, unkonstruktiver Zynismus, verklärende Freundschaftsromantik … all dies ist die Kölner Band nämlich nicht, und wie gesagt, auch rein musikalisch schöpft sie aus den Vollen. "Nackt " vermählt teils sehr kraftvolle Riffs mit einer schwer zu beschreibenden Indie-Attitüde und stylischem Post Punk, wozu man dank der Produktion von Kurt Ebelhäuser noch einen Schlag Koblenzer Schule addieren darf. Genau festlegen lassen sich meine LIEBE FRAU GESANGSVEREIN also nicht, ebenso wenig wie ihre Frontfrau.

Giefer trägt in den Haken schlagenden, aber nicht uneingängigen Songs emotionale Kämpfe aus, ohne sich als Person in den Vordergrund zu drängen, trifft lakonische Aussagen mit umso mehr inhaltlichem Gewicht und liefert auf diese Weise zahlreiche Liedzeilen fürs Poesiealbum oder zum Sprühen an die nächste Betonwand. Während 'Rückwärts verlieben' - eine kluge Analyse dessen, was zwischenmenschliche Beziehungen wirklich ausmachen sollte - den lyrischen Höhepunkt von Nackt markiert, ist 'Für immer wieder' unter rein musikalischen Gesichtspunkten quasi der Albumhit auf Ansage. Dazwischen gibt es eine Menge mehr zu entdecken, was eine Anwärterschaft zum nationalen Newcomer des Jahres rechtfertigt.

FAZIT: LIEBE FRAU GESANGSVEREIN musizieren im Geist von Pascow, Illegale Farben oder Fjort, auch wenn man sie stilistisch nicht direkt mit den beiden letztgenannten Acts vergleichen kann. "Nackt" bietet neben allem oben Genannten Rückgriffe auf das Beste aus der Neuen Deutschen Welle, rhythmischen Facettenreichum und Poesie im wahrsten Sinn des Wortes von einer Sängerin, die schon jetzt auf einer Stufe mit Deutschlands großen Textdichter(-inne-)n steht. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/0a853641afe8435aa487fa78a5d5616d" width="1" height="1" alt="">

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.08.2018

Tracklist

  1. Es Tut Mir Leid
  2. Erfunden
  3. Für Immer Wieder
  4. Hier Sein Ist So Schwer
  5. Letzten Mai
  6. Lunapark
  7. Schwarzes Brett
  8. Rückwärts verlieben
  9. Watt
  10. Nächtliche Gespenster

Besetzung

Sonstiges

  • Label

    Roaring / Cargo

  • Spieldauer

    39:46

  • Erscheinungsdatum

    03.08.2018

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