Gehen MADSEN wirklich ab wie eine Rakete, wie es uns das blöde Cover ihres aktuellen Albums „Lichtjahre“ weismachen will?
Antwort: Nein!
Warum?
Ihnen fehlt der Punk-Biss früher Jahre, das Rotzige, die Kompromisslosigkeit ihrer Texte. Die Jungs sind nicht mehr die Jungs von 1996, als die sie einst begonnen haben. Nur haben sie sich seitdem wirklich entwickelt?
Nein, sie sind erwachsene Musiker geworden, gestandene Männer, die noch immer mit ihrer Musik dem Bandnamen gerecht werden wollen, es im Grunde aber nicht mehr hinbekommen: „Wenn es einfach passiert, wird die Angst mich nicht kontrollieren“, heißt es in „Wenn es einfach passiert“, dem Song, der das Album eröffnet. Und er gibt im Grunde diese Richtung vor, die mehr nach einer sportfreundstiller, banaler TOCOTRONIC-Variante statt nach rotzfrecher Punk-Attitüde mit Berliner-Schul-Flair klingt. Nur die größtenteils zurechtgestelzten, platten Texte erreichen niemals das Niveau und die Liga, in der heute TOCOTRONIC spielen, die sich mit Anspruch dem Alter ergeben haben. Selbst die SPORTFREUNDE STILLER, denen das Quartett aus dem Wendland wohl am stärksten hinterherhechelt, sind MADSEN aus qualitativer Sicht um „Lichtjahre“ voraus.
Stattdessen erscheint ein schüttelverszusammengereimter Song wie <a href="https://www.youtube.com/watch?v=t9w9KBt8OU0" rel="nofollow">„Sommerferien“</a> dann nach ein paar pubertierenden Erinnerungen, die von älteren Herren für ein jüngeres Klientel zwanghaft auf modern getrimmt werden.
Spätestens in solchen Momenten fragt man sich, wann denn endlich das letzte Lied von MADSEN ansteht, wenn sie jetzt erst mit <a href="https://www.youtube.com/watch?v=Yz-nc9JCZqg" rel="nofollow">„Mein erstes Lied“</a> einen platten Liebestitel zum Besten geben, der nach den letzten „HuHuHuHuHuuuus“ nicht nur Ohr- sondern auch Bauchschmerzen bereitet.
Mit „Keiner“ wird dann auch noch samt Trompeten-Gebläse frech auf den ÄRZTE-Zug aufgesprungen und ein wenig am NDW-Kuchen geknabbert.
MADSEN nehmen alles mit auf ihrer Raketen-Reise und sausen dabei von einem schwarzen Musik-Loch ins nächste.
Noch dazu fragt man sich nach den jüngsten Ereignissen, was dieses Band in Chemnitz zu suchen hatte, um dort Gesicht gegen die Rechten zu zeigen, denn Politisches kommt bei ihnen höchstens im Fazit zu der Veranstaltung, aber nicht in ihren zwischen Peinlichkeit und Naivität schwankenden Texten vor, außer man nimmt solchen Käse wie: „Herzrasen, Wohnungstür, Menschenmassen neben mir, ich kann nicht mit ihnen reden“, ernst. Denn dann hätten sie doch besser in ihrem beschaulichen Wendländle bleiben sollen, statt mit KRAFTKLUB und den TOTEN HOSEN einen auf dicke Anti-Nazi-Hose zu machen. Und noch eins: die Chemnitzer und alle angereisten Fans haben sich über die Gratiskonzerte gefreut, aber das Chemnitz-Problem damit nicht gelöst, geschweige denn kapiert – auch wenn „Kapitän“ bereits MADSENs eigentliches Problem diesbezüglich aufzeigt: „Wie ein Schiff ohne Segel auf dem offenen Meer treibe ich im Nebel meiner Sehnsucht hinterher.“
MADSEN jedenfalls erleiden mit „Lichtjahre“ textlich und musikalisch den totalen Schiffbruch.
FAZIT: „Mittlerweile sind wir so, wie die Großen früher waren!“, heißt es im aktuellen Song „Sommerferien“ von „Lichtjahre“ der ehemaligen Deutsch-Alternative-Punk-Rocker MADSEN, die nun endgültig zu „normalen“, austauschbaren Deutsch-Rockern geworden sind. Aus der Zeit und der ehemaligen musikalischen Rolle gefallen. Musikalisch wie textlich sind MADSEN tatsächlich Lichtjahre von dem entfernt, was sie früher einmal waren – nämlich authentisch, wenn auch nicht perfekt. Eine Entwicklung in die falsche Richtung. In Würde musikalisch zu altern klingt jedenfalls anders als dieses 2018er-MADSEN-Album.
Punkte: 4/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.09.2018
Arising Empire / Nuclear Blast / Warner
51:47
15.06.2018