Mal wieder Zeit für Frustabbau?
Also einfach die „Frustschranke“ hoch, „Mæander“ von MAHLSTROM auf den Plattenteller und los geht‘s mit der Frustbewältigung. Aber leider baut „Mæander“ mehr Frust auf als ab. Denn der kommt mitunter schon auf, wenn Jakobs gleichtöniger Schreigesang von Anfang bis Ende uns durch das Album malträtiert und die Depri-Texte, wie beispielsweise auf <a href="https://www.youtube.com/watch?v=3M3fRQ1i1xw" rel="nofollow">„Dawei“</a> (Ist das eine Anspielung auf die russische Sprache? Dawai! Dawai = Voran! Voran!), entgegenschmettert: „Ich kann nichts dafür / und nehme all den Mut / der mich aus diesem Kreis befreit“.
Aha, ist das etwa eine Aufforderung zum Suizid, vielleicht aber auch nur zur Flucht – oder einfach die Botschaft „Ihr seid alle Scheiße – und ich gehöre hier nicht hin, ihr arschlosen Wichser!“
Aber klar doch kann man was dafür, wo man ist, bleibt und sein wird – oder ob man die Veränderung wählt. Ein nur „Ich bin dagegen!“, ist auch eine Einstellung, aber eine bescheuerte, so lange sie nicht eine bessere Alternative zu bieten hat.
Vielleicht sollte man bzw. MAHLSTROM mal ein wenig den Blickwinkel ändern und auch mal den Jakob anstacheln, besser singen und schreien zu lernen. Selbst wenn auf einer LP die Botschaft vermerkt ist: „Gegen Rassismus und rechten Hass. Ein menschenwürdiges Leben für alle, immer, überall!“, dann heißt das nicht zugleich, dass die Musik dahinter auch gut sein muss. Sie ist genauso einseitig wie die Widmung, denn wo bleibt der linke, der religiöse und jede andere Form von Hass, die allesamt keinen Deut besser oder schlimmer sind als das rechte Gesockse. Wer Feuer mit Feuer bekämpft, der entfacht einen Flächenbrand, den auch ein MAHLSTROM nicht mit dem <a href="https://www.youtube.com/watch?v=to1aMLTziWY" rel="nofollow">„Blue Marble Blues“</a> zu löschen vermag oder die so schrecklich hochgepushten und nun sogar mit einem Dokumentarfilm gewürdigten FEINE SAHNE FISCHFILET, die sich mit einem Schlag vom Hooligan-Saulus in den Neonazi-Paulus verwandelten – Hauptsache man wählt die gerade angesagte Richtung und bleibt trotzdem radikal, nicht wahr?
Natürlich ist es schwer, Hardcore, Punk und Emo mit deutschen Texten zu versehen und diese dann auch noch überzeugend und verständlich vorzutragen. Und die seit 2011 aus einer Laune heraus in Stuttgart gegründete Band MAHLSTROM geht dabei sehr mutig zur Sache, um sogar mit „Was zu finden ist“ einen versöhnlich-nachdenklichen Album-Abgesang zu finden – nur der schrei-singende Jakob ist für den kommunikativen Transport der Texte in Richtung der Leute, die nicht nur pogen, sondern auch mal zuhören und verstehen wollen, nicht wirklich eine gute Wahl. Der Protest innerhalb der Lieder sollte auch als Protest verstanden werden – und zwar im doppelten Sinne: akustisch und intellektuell.
Diesen Widerstand kennt der Kritiker nur zu gut aus seiner eigenen Vergangenheit, als in der DDR noch kurz vor dem völlig unerwarteten Fall der Mauer sich „die anderen Bands“, wie FEELING B. oder HERBST IN PEKING, mit solcher Musik, wie sie fast 30 Jahre später MAHLSTROM praktiziert, zu Wort meldeten, um die biederen und zugleich kreuzgefährlichen Polit-Bonzen gehörig durchzurütteln, genauso wie die Musikfans, die über das Pogo-Tanzen den Frust rausließen. Doch mit dem Fall der Mauer fiel auch diese Musik des Widerstands – denn sie war nicht wirklich gut, aber ein großartiges Ventil.
Und aus FEELING B. ging dann RAMMSTEIN hervor.
Alles weitere ist Geschichte...
Auch MAHLSTROM werden bald Geschichte sein – so viel ist (auch als FAZIT schon mal) klar.
Es reicht nicht aus – auch wenn man noch immer an den Punk oder Hardcore glauben möchte, der sich längst genauso hat vereinnahmen lassen wie all die anderen „Großen“, gegen die die Punks bis dahin angesungen und mit dilettantischer Instrumentenbeherrschung angespielt haben – etwas aufzukochen, was längst deutlich schmackhafter angeboten wurde. Genau in dieser reizlosen Phase befinden sich leider gerade MAHLSTROM, die mit ihrem Debüt-Album „Mæander“ auf sich viel zu oft wiederholende, piepeeinfache Rhythmen und eintönigen Schrei-Gesang setzen, der es noch nicht einmal schafft, die deutschsprachigen Textinhalte verständlich rüberzubringen. Das Beste an diesem Album ist im Endeffekt die gelungene Gestaltung des Vinyls (ein DL-Code ist auch enthalten) samt der mit den Texten bedruckten, farbigen Innenhülle.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.05.2018
Markus
Jakob
Shammi
Martin
Through Love Records/Indigo
35:33
06.04.2018