Mit Neueinspielungen eigener Klassiker aus der Vergangenheit von Künstlern zu einem besonderen Anlass ist es so eine Sache: einerseits mag der Hörer das Material mit all seinen etwaigen Fehlern im Original am Liebsten, andererseits haben die Schöpfer jedes Recht, ihre Werke auf- und nachzubearbeiten, um sie subjektiv zu verbessern. Was (Country-)Songwriting-Ikone Mary Chapin Carpenter zu diesem Geschenk an sich selbst bewegt hat, weil sie das 30. Jahr ihrer erfolgreichen Karriere begeht, bleibt ungeachtet ihrer Behauptungen (die Sängerin suche das Gute im Nahen, sagt sie) relativ offen.
Fest steht, dass sich das Dutzend Standards von einst auf "Sometimes Just The Sky" (einzig der starke Titeltrack ist ein neues Lied, alle anderen repräsentieren jeweils eines der bis dato zwölf Alben in Carpenters Laufbahn) zeitgenössischer anhört, nicht zuletzt aufgrund der Produktion von Ryan Adams' Zuarbeiter Ethan Johns. Allzu glatt ist das Ergebnis jedoch nicht ausgefallen, zumal die Beteiligten alles live im Peter Gabriels Real World Studios eingespielt haben. Demgemäß vermittelt der Longplayer ein gewisses Bühnen-Ambiente, das Lust auf die bevorstehende Tournee des Ensembles macht. Die Dynamik des fiktiven Programms ist nichts weniger als bestechend.
Während ein Stück wie 'Rhythm of the Blues', der sich mindestens zur Hälfte bereits anhand seines Titels erklärt, der Ausgangsversion einigermaßen streng verhaftet bleibt und 'Heroes And Heroines' zu Debüt-Zeiten genauso wie heute einer Standortbestimmung gleichkommt, avanciert 'This is Love' zu einem potenziellen Hit fürs Formatradio (zumindest in den Staaten). Die praktisch chronologische Reise von Carpenters Anfängen bis in jüngere Zeit fördert weitere Perlen wie das rührende 'Superman' und das nachdenklich stimmende 'This Shirt' zutage, ohne dass dieser oder jener Track mehr Aufmerksamkeit verdient hätte als die übrigen. Das nennt man dann wohl Dienst am Freund des klassischen Album-Feelings mit allen atmosphärischen Höhen und Tiefen.
FAZIT: Die Zusammenarbeit mit einer Konstante in Carpenters Kader - Gitarrist Duke Levine - und zugleich von ihrem Produzenten ausgesuchten anderen Musikern hat sich in Bezug auf "Sometimes Just The Sky" bezahlt gemacht. Unbedarfte, die sich erstmals mit der Künstlerin beschäftigen, könnten die klug ausgesuchten Tracks aus ihrem bisherigen Repertoire für ein aktuelles Album neuer Kompositionen halten, wohingegen sowohl der Star selbst als auch langjährige Fans den Stücken neue Seiten abgewinnen können. Ob die Platte die ursprünglichen Fassungen allerdings langfristig verzichtbar macht, steht eher zu bezweifeln. <img src="http://vg06.met.vgwort.de/na/031f7a0044c141f9bc1fc7f5a3c203f8" width="1" height="1" alt="">
Erschienen auf www.musikreviews.de am 28.03.2018
Lambent Light / Thirty Tigers / Alive
48:35
30.03.2018