Irgendwo in Austria, in einem dunklen Wald, da leben sie: <a href="https://www.youtube.com/watch?v=zIV4poUZAQo" target="_blank">Die Ritter vom NI</a>. Längst haben sie alle Oberflächlichkeit hinter sich gelassen und haben durch gelebte Abstraktion nach langer Irrfahrt endlich den heiligen Meta-Gral entdeckt. Wo? Na DEDODA! Du DEPATE. Himmelsrichtung WEOST, alles klar?
Nein, man muss keine poststrukturalistischen Pilze gekaut haben, um in das neue, dritte Album des österreichischen Viererbundes einsteigen zu können. Ein wenig Zeit und Offenheit sind aber durchaus nicht falsch investiert, will man sich „Dedoda“ gewinnbringend nähern, denn obwohl der dicht geklöppelte Klangraum des Albums keineswegs abstoßend wirkt – etwa durch selbstherrliches „Das ist Kunst“-Gefidel –, braucht man eher mehr als einen Durchlauf, um sich darin zurechtzufinden.
Schon früh fällt auf, dass NI nie als Kollektiv von sich selbst beweihräuchernden Instrumentenbeherrschern auftreten, sondern sich darauf verstehen, ihre Songs wortlose Sinnbilder malen zu lassen, Spannungen aufzubauen und das alles auch noch sehr angenehm und erbauend klingen zu lassen. Diese Spannungen entstehen nicht unwesentlich durch den ewigen 3:1-Kampf von Gitarre gegen Schlagzeug, der entgegen der Zahlen keineswegs unausgeglichen ist: Martin Flotzinger lässt seine Drums oft wie einen aggressiven Bienenschwarm von unten gegen die sich eher in gesetzteren Bögen bewegende, lebendige Gitarrenwand anprasseln, derart, dass sich die „Kontrahenten“ zu einem ineinander verbissenen Energiebündel vereinen.
Die mal leichte, mal durchaus angreifende Gitarren-Mehrstimmigkeit, die mit der detailverliebten Lässigkeit einer Impro-Fuge dargeboten wird, wird, wie angedeutet, ergänzt um allerlei (ebenfalls mehrstimmige) Vokalitäten (dialektale Mantras oder mantischer Nonsens, wer weiß…): Als Acapella-Intermezzo („Depate“, „Dedoda“) oder eingebunden in die Songs. „Öl“, mein Favorit auf „Dedoda“, wartet mit seemännischem Ho-ho auf, was sich sowohl als humoriges Stilelement, als auch als impulsive und demgemäß passende Veredelung des zunächst wie ein Schiff in mannshoher Dünung stampfenden Songs verstehen lässt, der sich später in leichter, verzwirbelter Gitarrenakrobatik befreit äußert, ehe er fast gewaltsam wieder in den marschierenden Ausgangsrhythmus zurückgedrängt wird.
Zu beanstanden findet sich an „Dedoda“ fast nichts: So man einmal hinein gefunden hat, gibt es in der knappen halben Stunde ungemein viel zu entdecken, nicht zuletzt, wie gelungen und dauerhaft gefällig viele der Melodien sind, die sich das Saiten-Departement wie beiläufig vom Griffbrett raspelt.
FAZIT: Ganz großes Kino! Farbenprächtig, wahnwitzig, unerwartet, kraftvoll, meditativ, Kunst! So macht die Suche nach einem schönen Gebüsch (aber nicht zu teuer) wahrlich Freude.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.02.2018
Gigi Gratt, Tobias Hagleitner, Manu Mitterhuber
Martin Flotzinger
Zach Records/Red Wig
29:31
21.04.2017