Der amerikanische Singer/Songwriter NICK FLESSA ist garantiert kein Überflieger, dafür lebte er aber in einem „Flyover State“, also einem Ort, über den die Flugzeuge hinwegfliegen, ohne dass man diesen großartig wahrnimmt. Ein Blick aus dem Flugzeugfenster reicht bei „Flyover States“ keinesfalls, denn auf Flessas Debüt-LP sind unsere Ohren und der Geist mehr als die Augen gefragt.
Flessa erzählt singend seine kleinen Geschichten über Gott und vielmehr natürlich die Welt und Orte, wie <a href="https://www.youtube.com/watch?v=c_Vy8o3btVM" rel="nofollow">„Michigan“</a>, denen man mit, aber auch ohne Flugzeug zu Leibe rücken kann, und die nur auf den ersten Blick wie ein Landstrich erscheinen, welchen man unbeachtet unter Flugturbinen hinter sich lässt, weil die Menschen eben nicht nur wie die Ameisen aus der Vogelperspektive erscheinen, sondern ihre alltägliche Probleme austragen. Eingefangen in zehn Songs, die dem Americana und Alternative Country genauso nahe stehen wie der einen oder anderen poppigen Hookline, wobei die Texte eine besondere Bedeutung haben, die man eben nicht nur überfliegen sollte.
Flessa betont deswegen ausdrücklich: „Ich habe das Album ‚Flyover States‘ genannt, weil die Leute in LA es interessant fanden, dass ich aus einem sogenannten Flyover State komme und was ich über das Leben dort zu berichten hatte. Dieses Album ist so etwas wie die Vision eines Midwesterners, der nach LA zieht und versucht, mit Los Angeles als Rahmen und Thema eine künstlerische Sensibilität für den mittleren Westen zu entwickeln.“
Leider wurde bei der LP darauf verzichtet, ihr einen Einleger mit den Lyrics oder eine entsprechend informativ bedruckte Innenhülle beizufügen, was das Erschließen der für NICK FLESSA sehr wichtigen Kombination von Musik und Text sehr schwer macht. Wir lauschen also nachdenklich oft ruhiger Musik, die auf der LP-B-Seite immer wieder lautstark ausbricht, haben aber Probleme, die Texte auf Anhieb zu erschließen, da Flessas Gesang nicht immer deutlich ist, manchmal etwas nuschelnd oder wie auf <a href="https://www.youtube.com/watch?v=orhS2Se3gz4" rel="nofollow">„Glendale“</a> fast punkig klingt.
Eine Ballade wie <a href="https://www.youtube.com/watch?v=Cp4meZiTMsk&feature=youtu.be" rel="nofollow">„Warning“</a> stellt uns hingegen nicht vor größere Schwierigkeiten, während aus der Ferne ein JOHN CALE samt Pedal Steel grüßen lässt.
Wenn auf einem der besten Stücke des Albums „There Is Mercy“ als Duett-Partnerin LUCY LaFORGE ihren eigenen Beitrag leistet und nicht wie bei den anderen Songs nur im Background bleibt, dann lächeln einen die WALKABOUTS mit CHRIS und CARLA sogar ganz liebevoll und unwiderstehlich an.
Viel stärker jedoch kommen einem NICK DRAKE und TOWNES VAN ZANDT sowie ganz besonders LLOYD COLE in den Sinn, wenn wir mit Musik-Kapitän Flessa zum gemeinsamen Flug über den rotierenden Plattenteller ansetzen.
FAZIT: Das Debüt-Album von NICK FLESSA wird es mit der momentan sehr angesagten Folk-Americana-Singer/Songwriter-Ausrichtung in der Vielzahl der aktuellen Veröffentlichungen nicht leicht haben, da es gute Musik und sehr gute Texte plus eine oberflächliche Gestaltung in sich vereint, ohne dabei eine dauerhafte Wirkung zu hinterlassen. Bleibt zu hoffen, dass aus „Flyover States“ kein Flyover-Music-Album wird.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.08.2018
Elite Records/Brokensilence
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27.07.2018