Zurück

Reviews

Oak: False Memory Archive

Stil: Art Rock / Progressive

Cover: Oak: False Memory Archive

Genügsame fünf Jahre haben OAK ins Land ziehen lassen, um den Nachfolger ihres sträflich unbeachteten Debüts „Lighthouse“ an den Start zu bringen. Zeit, die hörbar produktiv genutzt wurde, um die schon auf dem Erstling anklingenden Stärken in jeder Hinsicht zu entwickeln und nun auf „False Memory Archive“ in ein Album zu destillieren, das im Bereich des scheuklappenbefreiten Art Rock nichts weniger als wegweisend ist.

Die Norweger tun sich im sonst hier und da zu spannungsarmen Feld zwischen anspruchsvoller Rockmusik und Prog-Anleihen in erster Linie durch ihr extrem verdichtetes Songwriting hervor, das sich ungeachtet vieler Konventionen munter querbeet bedient und am Ende schlüssig zusammenführt. Mit Mellotron und klassischen Orgelsounds trifft Gutes von vorgestern mal auf moderne Electronica, dann wieder auf fast kakophones Saxofon oder traditionell geprägte Akustikgitarre. Über allem die wandelbare und zu perfekt harmonisierten Chorälen geschichtete Stimme von Simen Valldal Johannessen, der zeitweise an einen unbeschwerteren Jonas Renkse erinnert, im dunklen Register dann aber wieder das Timbre von MAJOR PARKINSON-Fronter Jon Ivar Kollbotn bedient, das man bis dato für einzigartig gehalten hatte.

Man täte dem Album Unrecht, einzelne Songs herauszustellen. „We, the Drowned“ ist als Essenz alles Kommenden der ideale Einstieg ins Album, wenn auch der kompositorische Wagemut noch etwas zurück gehalten wird. Das folgende „Claire de Lune“ bietet dahingehend ab der Trackmitte mit einem sensationellen Jam richtig an, bevor der Titeltrack mehr als eine dieser besonderen Melodien bereithält, die bezeichnenderweise immer nur skandinavischen Bands zu gelingen scheinen. „Lost Causes“ ist das stärkste Kopfnicken in Richtung der Landsmänner von MAJOR PARKINSON und featured fast nebenbei Leads des AIRBAG-Gitarristen Bjørn Riis. Das Interlude „Intermezzo“ wird fast im Alleingang vom Piano getragen und zeigt, dass auch zeitgenössische Filmmusik zu den prägenden Einflüssen der vier Norweger gehört. Mit „The Lights“ folgt der zehnminütige Longtrack des Albums, der mit eindringlicher Atmosphäre und zurückgefahrener Dynamik für atmende Kontrapunkte zum bisher Gehörten sorgt. „These are the Stars we’re aiming for“ schwingt sich nach beschaulichem Orgel-Beginn zu einer echten Hymne auf, während „Transparent Eyes“ zum Ende des Albums als echte „Lazarus“-Referenz herhält. Das abschließende „Psalm 51“ ist zu Beginn ein sehnsüchtiges Zeugnis der OAK-Anfänge als minimalistisch komponierende Folk-Formation, bevor Klavier und Mellotron ein stimmungsvolles Postrock-Auslaufen inszenieren, das auch dank gut getimter Saxofon-Leads dem Album ein würdiges Ende bereitet.

So ist „False Memory Archive“ maximal vielschichtig gelungen, auch weil bis ins letzte Detail nichts dem Zufall überlassen wird. In diesem Zuge beachtlich, dass es der glasklare Mix von – natürlich – Jens Bogren jederzeit schafft, allen Beteiligten hörbar gerecht zu werden. Nicht nur der Soundarchitektur wegen drängen sich Vergleiche mit OPETHs „Damnation“-Phase oder ent-psychten PORCUPINE TREE und STEVEN WILSONs frühen Solowerken auf – mit unbekanntem Ausgang, wohlgemerkt.

FAZIT: Mit „False Memory Archive“ legen OAK ein absolutes Referenzwerk des modernen Art Rock vor. Dank detailverliebter Arrangements und entblößend guten Songwritings kommen die Norweger ohne jede Härte aus und lassen die Etablierten in dieser Form ganz alt aussehen – ein Album für die einsame Insel.

Punkte: 15/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.11.2018

Tracklist

  1. We, the Drowned
  2. Claire de Lune
  3. False Memory Archive
  4. Lost Causes
  5. Intermezzo
  6. The Lights
  7. These are the Stars we’re aiming for
  8. Transparent Eyes
  9. Psalm 51

Besetzung

  • Bass

    Øystein Sootholtet

  • Gesang

    Simen Valldal Johannessen

  • Gitarre

    Ole Michael Bjørndal

  • Keys

    Simen Valldal Johannessen

  • Schlagzeug

    Sigbjørn Reiakvam

Sonstiges

  • Label

    Karisma

  • Spieldauer

    54:54

  • Erscheinungsdatum

    19.10.2018

© Musikreviews.de