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Ohrenfeindt: Tanz Nackt

Stil: Hardrock / Rock´n´Roll

Cover: Ohrenfeindt: Tanz Nackt

OHRENFEINDT können es nicht lassen und legen mit „Tanz Nackt“ ihre schon achte Studioplatte vor, die nach Aussage des Trios aus dem hohen Norden „zurück zu den Wurzeln“ führen soll, ungeschminkt, möglichst „nackt und ohne Schnörkel, dorthin, wo es weh tut.“ Dieses Vorhaben kann als gelungen angesehen werden, denn mitunter sträuben sich ob der textlichen Ergüsse den Hörer/Innen die Nackenhaare, zu platt und plump dröhnen Textbausteine aus den Boxen, die die deutschen AC/DC Klone auf die mittelprächtige und mitunter angestaubte Musik gedengelt haben.

Der Starter „Porschekiller“ behandelt den 33 Jahre alten, vierten WERNER-Comic „Eiskalt“, der damals Kultstatus erreichte und das Rennen zwischen Holgis Porsche und dem „Red Porsche Killer“, einer von WERNER getunten HOREX mit vier hintereinander montierten Motoren thematisiert, seinerzeit nur als Wette festgehalten. Hier gibt’s vom „Wurstblinker“ über „Kurve kratzen“ (ein WERNER-Insider) bis hin zum berühmten „beinhart“ jedes noch so abgedroschene Zitat des Comics.

Das Rennen, im dem die Wette Realität wird, fand 1988 in Hartenholm statt. Somit kommt dieser Titel, sieht man von der Revanche in diesem Jahr ab, mit etwas gutem Willen mindestens 30 Jahre zu spät, oder muss als plumper Versuch gewertet werden, aus der Publicity der Neuauflage Kapital zu schlagen. Im Übrigen ging der Sieg damals auch an Holgis Porsche, da WERNERs „Porschekiller“ auf der Stecke verreckte. Dies hätte wohl besser als schlechtes Omen gewertet werden sollen.

Danach gibt’s mit „Voodoo“ und „Sympathy For The Devil“ artigen Chören in STONES-Manier kein woohoo, sondern eben „Voodoo“ aber derart dünn, dass man sich fragt, ob man nicht besser ein paar Mäuse für fähige, im Background schnurrende Kätzchen ausgegeben hätte. Thematisiert wird hier das Thema Übergewicht, zugegeben etwas unterhaltsamer als das Rennen im faden Opener.

Der Mix der Scheibe trägt dem Live-Ansatz OHRENFEINDTs Rechnung, denn wenn die Gitarre zum Solo ansetzt, müssen Bass und Drums auf der Bühne die entstehende Lücke füllen, was während der Live-Situation seinen Reiz haben kann, im Studio aber ohne Probleme mit einer oder mehrerer zusätzlicher Tonspuren kompensiert werden könnte, was teilweise („Wenn Das Alles Nicht Mehr Wehtut“) auch angewendet wird. Warum man diesen Ansatz nicht durchweg verfolgt, bleibt ein Rätsel.

Im Anschluss gibt es mit „Schmutzige Worte“ die wenig erotische OHRENFEINDT- Version des 80er Kultfilms „9 ½ Wochen“ („zieh dich für mich aus, lass die Schuhe an“) mit ins Komische abdriftendem „Schmutzige Worte“-Chor, der beim ersten Hören zu einem Lachanfall des Rezensenten geführt hat, nur noch getoppt durch die stakkatoartigen „Ah ah ah ah ah ah ah“ Backgrounds gegen Ende des Songs. Jungs, jetzt mal im Vertrauen: Meint ihr das wirklich ernst?

„Nix Zu Verlieren“ startet mit einem Intro, erfolgreich abgekupfert bei THE CULTs grandiosem „Firewoman“, danach geht es aber leider in anderer Richtung weiter, nämlich mit 0-8-15 Rock´n´Roll ohne Esprit, textlich angelehnt an Midlife-Crisis Hits wie UDO JÜRGENs „Ich War Noch Niemals In New York“, wobei auch hier das Original vorzuziehen ist.

In der Folge gibt es mit „Tanz Nackt“ endlich das Highlight des Albums, wird hier doch erfolgreich vom banalen Einheitsrock abgewichen und ein Titel geliefert, der weit über dem Rest der Scheibe, sowohl textlich als auch musikalisch, thront. Davon hätte man gerne mehr gehört, aber leider geht es mit „Rock´n´Roll Psychiater“ wieder straight abwärts mit Anspruch und Umsetzung, während „Sechser Im Lotto“ wieder munter Plattitüden drischt „das ist krass – Mann, ist das krass, nix mehr im Tank – nix auf der Bank“ (verstohlen grüßen ZOFF mit „Kein Geld, Kein Money“ aus der Ferne), in negativer Hinsicht nur noch getoppt vom „Bum Bum Ballet“, wo es „amtlich auf´s Mett“ gibt – aber wer will das schon?

OHRENFEINDTs achter Versuch „Tanz Nackt“ bringt Rock´n´Roll nur für eingefleischte Fans, die mit den Reeperbahn-Rockern schon das eine oder andere Bierchen verschnabuliert haben, wobei wir auch gleich beim FAZIT wären, denn nüchtern ist das Teilchen nur sehr schwer zu ertragen, aber mit steigendem Promillewert wird die Akzeptanz stetig ansteigen und selbst Highlights wie: „die Leute so: Bumm Bumm, Bumm Bumm“ für selig strahlende Gesichter der Fangemeinde sorgen.

Punkte: 7/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 13.09.2018

Tracklist

  1. Porschekiller
  2. Voodoo
  3. Hallo, Frau Doktor
  4. Nichts Kann Dich Bremsen
  5. Schmutzige Worte
  6. Wenn Das Alles Nicht Mehr Wehtut
  7. Nix Zu Verlieren
  8. Tanz Nackt
  9. Rock´n´Roll Psychiater
  10. Sechser Im Lotto
  11. Bum Bum Ballett
  12. Tanz Nackt (Reprise)

Besetzung

  • Bass

    Chris Laut

  • Gitarre

    Andi Rohde

  • Schlagzeug

    Andi Rohde

  • Sonstiges

    Don Airey: Hammond Orgel; Chris Laut: Mundharmonika

Sonstiges

  • Label

    Metalville

  • Spieldauer

    47:11

  • Erscheinungsdatum

    31.08.2018

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