Na, das hätte man wohl kaum erwartet: ein Dance-Album von PETER HEPPNER?!?!
Und dann noch dazu so eins, das nicht nur die zwanghaften Tanz-Fanatiker glücklich macht, sondern auch diejenigen, denen der melancholisch-düstere, noch immer WOLFSHEIM-Erinnerungen weckende, Sänger mit der Stimme, die man – nur einmal gehört – nie vergisst, erfreuen wird.
Sechs Jahre Wartezeit auf ein neues musikalisches Solo-Lebenszeichen nach <a href="http://www.musikreviews.de/reviews/2012/Peter-Heppner/My-Heart-Of-Stone/" rel="nofollow">„My Heart Of Stone“</a>, die auch durch schwere gesundheitliche Probleme bei Heppner heraufbeschworen worden waren, und dann ertönt es gleich in einem ungewöhnlichen, voneinander unabhängigen Doppelpack: diese „TanzZwang“-Dance-LP/CD mit unterschiedlichen Mixen und Remixen von völlig neuen Heppner-Songs, in deutscher und englischer Sprache gesungen, und ein echtes, ganz typisches – nicht auf Tanzbarkeit getrimmtes, recht düsteres Solo-Album, ebenfalls mit englischen und deutschen Texten.
Da Heppner „Doppel-Alben“ allgemein als „recht doof“ empfindet, entschied er sich bewusst für ein Splitten dieser beiden extrem unterschiedlichen Alben, wie er <a href="https://mobil.n-tv.de/leute/musik/Du-diskutierst-nur-mit-den-Vollidioten-article20653793.html" rel="nofollow">in einem N-TV-Interview</a> verrät: „Während des Schreibens mit Dirk [Keyboarder und enger Freund von Heppner – T.K.] kam dann die Idee auf, die Stücke in ‚tanzbar‘ und ‚nicht tanzbar‘ aufzutrennen. So konnte man auch die tanzbareren Stücke von echten Dance-Produzenten produzieren lassen. So haben wir es dann auch gemacht. Das heißt: Die eine Platte ist komplett von Alex Lys mit mir zusammen produziert worden. Das Tanz-Album wurde dagegen fast ohne mein Zutun produziert. Die meisten Songs haben wir weggeschickt, nach drei Wochen wiedergekriegt und hatten - ups - ein Stück.“
Er musste also loslassen, der Perfektionist, welcher sonst nichts aus der Hand gibt. Das hört man natürlich auch auf „TanzZwang“, dem wohl ungewöhnlichsten Heppner-Album, das je veröffentlicht wurde. Doch die „Fremd-Mixer“ haben sehr gute Arbeit geleistet und PETER HEPPNER nicht seiner musikalischen Potenz beraubt, sondern ihr spezielles elektrotechnisches Tanzbein-Viagra verabreicht, was seine orgastische Wirkung hinterlässt, selbst wenn es vielleicht auf den einen oder anderen „klassischen“ Heppner-Anhänger ein wenig fremd wirkt – doch wer, bitteschön, steht denn heutzutage nur auf die musikalische Heppner-Hoppe-Reiter-Stellung wenn er auch mal eine wilde Roß-Reiter-Heppner-Nummer dazwischenschieben kann.
Aber natürlich kann PETER HEPPNER auch von seiner finsteren Phase selbst auf einem Tanz-Album nicht ablassen und präsentiert mit der Interpretation von HERMANN HESSEs „Im Nebel“ als Dirk Riegner Mix, der die LP-A-Seite abschließt, ein tiefdunkles Meisterwerk, das man in dieser Form der musikalischen Deutung von Hesses Gedicht unbedingt auch den Schülern, die sich mit Lyrik-Interpretationen in der Schule rumschlagen müssen, tanzend näher bringen sollte.
Mit „Fremd in diesem Land“ werden noch dazu, trotz aller Tanz-Rhythmen, auch klare politische Botschaften, ohne jeglichen erhobenen Zeige- oder Stinke-Finger, verbreitet, mit denen Heppner beweist, dass Tanzen und Denken sogar gemeinsam perfekt funktionieren können und uns dabei über das Fremdsein als Fremder, der in ein fremdes Land kommt oder als „Fremder“, der sich in seinem eigenen Land fremd fühlt, nachdenken lassen.
FAZIT: Teil 1 der zwei 2018er-Alben von PETER HEPPNER. Das tanzbare Album „TanzZwang“, bei dem der ehemalige WOLFSHEIM-Musiker eine Dance-“Flut“ lostritt und seine neuen Songs von bekannten Dance-Experten mastern und remastern lässt. Das klingt gefährlich, ist es aber nicht, denn hier gibt‘s zum Glück keine muffig-nervenden Techno-Rhythmen auf die Ohren, sondern interessante Dance-Versionen, die unverkennbar nach dem oft melodramtisch-nachdenklichen PETER HEPPNER klingen, auch wenn man danach tanzen kann. Und, liebe Leute, wer bringt eigentlich den Mut auf, nach „Im Nebel“ von HERMANN HESSE zu tanzen? Dank Heppner könnt ihr es jetzt gerne tun!
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.10.2018
Peter Heppner
Dirk Riegner
Sony Music
39:46
28.09.2018