Lassen wir den einleitenden Satz einmal auf uns wirken: „PHANTOMAS TREHR aus Stuttgart macht depressiven Rock, der ganz besonders dunklen, bedrückenden, selbstmörderisch anmutenden Sorte mit deutschen Texten, deren Poesie sich wie der Panther hinter seinen Gitterstäben im Gedicht Rainer Maria Rilkes über unsere Gehörgänge in unser Hirn einschleicht und dort ein gehöriges Chaos hinterlässt.“
Zumindest war das der spontane Eindruck, welchen der Kritiker nach dem ersten Hördurchgang von <a href="https://phantomastrehr.bandcamp.com/releases" rel="nofollow">„Restnorm Apath“</a> gewann.
Schon das Wortspiel, das Stephan Romhart, der komponierende, textende, singende Multiinstrumentalist hinter PHANTOMAS TREHR, als Titel für sein Album verwendet und das sich aus den Buchstaben seines Bandnamens zusammensetzt, verweist auf die Tiefe(n Abgründe), welche sich hinter „Restnorm Apath“ verbergen. Auch ein Kafka ist niemals weit entfernt von dem, was uns hinter diesem „verschlüsselten“ Parabel-Album erwartet.
Stephan Romhart (Wen verwundert‘s nun noch, dass sich auch alle Buchstaben seines Namens in PHANTOMAS TREHR wiederfinden?!) besitzt den Hang und die Attitüde, einerseits textlich wie musikalisch recht deutlich in die Fußstapfen des LACRIMOSA-Masterminds TILO WOLFF zu treten, andererseits sich aber doch deutlich davon abzusetzen, indem er auf übertriebenen Gothic-Bombast und den manchmal so schrecklich aufgesetzt wirkenden Pathos verzichtet, sondern konsequent auf seinem Album den Blick in die dunkelsten Seiten seiner/unserer Seele öffnet und jeden seiner Songs in ruhiger Zerbrechlichkeit beginnend bis hin zu postrockigen Gitarren-Brettern steigernd wie kleine Trauer-Symphonien, deren Lauflänge sich zwischen sechs und acht Minuten bewegt, aufbaut.
Auch hier eignet sich ein Vergleich zu einem der besten LACRIMOSA-Stücke, das sich auf deren ersten Album „Einsamkeit“ (1992) befindet: „Reissende Blicke“. In dem gut zehnminütigen Stück geht es um einen Menschen, der auf einem Notsitz im Kino platziert wurde und dort einen Film sieht, in dem es offensichtlich um sein Leben geht, wie er voller Entsetzen erkennt. Seine Verzweiflung, seine Ängste, seine Niederlagen, seine Fehlentscheidungen, die ihn in tiefe Depressionen stürzen, alles ist in seinem Lebensfilm festgehalten, der da unmittelbar vor ihm und dem zahlreich erschienenen Publikum abläuft. Was aber macht das restliche Publikum in den bequemen Kinosesseln, als es seinen Film, den er von dem ihm verbliebenen Notsitz aus erlebt, sieht? Es lacht!
Nehmen wir „Restnorm Apath“ zur Hand, so werden wir in der guten Musikstunde in eine ganz ähnliche Atmosphäre versetzt, die zugleich noch durch das Kolumbus-Zitat im Booklet verstärkt wird: „Und die See gibt ihnen neue Hoffnung, wie die Nacht ihnen neue Träume bringt.“
„Restnorm Apath“ steuert die nächtlichen Musik-Träume bei, deren Ausgang nichts Gutes zu verheißen scheinen, wie es besonders bewegend in den Parallelen zu <a href="https://www.youtube.com/watch?v=-Q-HzP_ebGk" rel="nofollow">„Die dunkle Stadt“</a> zum Ausdruck kommt: „Wenn die Krieger schlafen, und die Träume gescheh‘n. / Wenn die alten Gedanken aus den neuen entsteh‘n“
Stephan Romhart ist auf seinem Album zugleich <a href="https://www.youtube.com/watch?v=_R85rZWfWLg" rel="nofollow">„Der Apologet“</a>, den er besingt und so zum Verteidiger der Lehre wird, dass die Zeit nicht wirklich alle Wunden heilt, sondern immer auch der Schmerz bleibt und auch „Der Herbst der Welt“ beachtlich ist – vielleicht gerade wegen der dunklen, melancholischen, traurigen Seite, die viel zu oft ausgeblendet wird.
Zugleich aber ist seine Musik, so bedrückend sie auch anmutet, ein Hoffnungsschimmer in Grau, wenn die letzte Zeile des Albums mit der rhetorischen Frage oder doch klaren Aussage: „Vielleicht wäre es besser, sich all dem Leid zu stellen“, endet, nachdem zuvor in „Das Leid“ bereits die Bitte: „Die Stille schweigt in mir. Komm, hilf mir auf. / Mein Schwermut macht mich taub. Komm, hilf mir auf.“ - überdeutlich als Hilferuf formuliert war.
So also klingt der depressive Rock von PHANTOMAS TREHR, der sich immer ein kleines hoffnungsvolles Hintertürchen aufhält.
FAZIT: PHANTHOMAS TREHR lebt die Finsternis in seiner Musik und seinen Texten aus, die sich an alle Liebhaber der dunklen Seite – nicht des Mondes oder der Macht, sondern – des Lebens wendet, die in Musik und Literatur immer wieder von solchen Künstlern wie LACRIMOSA, RILKE oder KAFKA großartig umgesetzt wurden bzw. werden. „Restnorm Apath“ hält der immer unerträglicher werdenden Spaßgesellschaft den musikalischen Spiegel vor‘s Gesicht, der sie nicht mit ihren aufgesetzten Clownsgesichtern, sondern als das finstere Loch, das sie durch ihre oberflächliche Selbstverliebtheit und Verhaltensweisen bei denjenigen reißen, die diesen Ego-Selbstdarsteller-Quark nicht mitmachen wollen, widerspiegelt.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.03.2018
Stephan Romhart
Stephan Romhart
Stephan Romhart
Stephan Romhart
Stephan Romhart
Eigenvertrieb
66:58
01.02.2018